Wirtschaft Grundsteuer auf der Kippe

Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe bezweifelt, dass die Grundsteuerbasis für Grundstücke noch zeitgemäß ist. Städte und G
Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe bezweifelt, dass die Grundsteuerbasis für Grundstücke noch zeitgemäß ist. Städte und Gemeinden nehmen jährlich rund 14 Milliarden Euro dieser Steuern ein. Die Grundsteuer B umfasst alle Grundstücke außer forst- und landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Die Berechnung der Grundsteuer könnte verfassungswidrig sein. Grundstücksbesitzerin aus der Pfalz klagt vor Bundesverfassungsgericht

Der Erste Senat äußerte massive Zweifel, dass die Einheitswerte die realen Werte der Grundstücke und Immobilien noch widerspiegeln. Sie gelten seit 1964 in den westlichen Bundesländern und sogar seit 1935 in den östlichen. Die Einheitswerte sind das Fundament, auf dem die Grundsteuer berechnet wird. Der Einheitswert wird mit einer von den Finanzämtern festgelegten Messzahl vervielfacht, das Zwischenergebnis dann mit dem von jeder Kommune festgelegten Hebesatz multipliziert. Da aber die Basis, nämlich der Einheitswert von 1964, den realen Wert verzerrt, schlägt das auch auf den Endbetrag durch. Deshalb haben nicht nur Eigentümer in verschiedenen Instanzen gegen ihren Grundsteuerbescheid geklagt. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Einheitswerte für verfassungswidrig. Der Vorsitzende des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, betonte schon in seiner Einführung, dass die Einheitswerte 1964 den Wert eines Grundstücks abbilden sollten. Damals war auch geplant, die Einheitswerte nach sechs Jahren zu überprüfen. Die Fortentwicklung wurde dann aber vom Bundestag 1970 aufgegeben – und zwar bis heute. Ergebnis ist nicht allein, dass die meisten Einheitswerte zu niedrig sind. Vielmehr haben sich in Metropolen die Werte außergewöhnlich stark erhöht, in ländlichen Gebieten aber viel weniger. Dadurch zahlen die einen zu wenig Grundsteuer, andere vergleichsweise viel. Diese Verzerrung könnte wohl als gleichheitswidrig beurteilt werden.

Berlin als „schlagendes Beispiel“

Anwalt Hans-Joachim Lehmann nannte Berlin als „schlagendes Beispiel“. Grundstücke in Mauernähe seien vor der Wiedervereinigung fast wertlos gewesen, heute seien sie das Zehnfache wert. Die Einheitswerte von 1964 berücksichtigten das aber nicht. Entsprechend willkürlich sei die Höhe der Grundsteuer. Verfassungsrichter Andreas Paulus sah die seit fast 54 Jahren unveränderten Werte als realitätsfern: „Zwischen 1964 und heute, da liegen Welten dazwischen“, sagte er. Auch Berichterstatter Michael Eichberger erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht bei Steuern eine realitätsnahe Wertfeststellung verlange. Es müsse zwar nicht jedes Immobilienobjekt exakt taxiert werden, aber typischerweise müsse der Einheitswert der Realität entsprechen.

„Ich bewundere Ihre Rettungsversuche“

In der Verhandlung verteidigte vor allem die Bundesregierung die alten Einheitswerte. Der Vertreter der Regierung sagte, es gebe über 35 Millionen Grundstücke in Deutschland. Wenn die alle neu bewertet werden müssten, sei ein enormer Zeit- und Personalaufwand notwendig. Andererseits sei die Grundsteuer im Vergleich zur Einkommensteuer gering. Deshalb habe der Gesetzgeber bei den Einheitswerten mehr Spielraum. Verfassungsrichter Paulus sagte zum Vertreter der Bundesregierung: „Ich bewundere Ihre Rettungsversuche.“ Allerdings steht auch das Bundesverfassungsgericht vor einem Problem. Alle Ländervertreter und Finanzexperten sprachen von sechs Jahren, die eine flächendeckende Neubewertung brauche. Dann müsste Karlsruhe aber noch so lange Einheitswerte tolerieren. Das wäre eine „Zumutung“ für das Gericht, so Kirchhof. Setzt das Verfassungsgericht aber eine kürzere Frist, müsste wohl auf Einheitswerte verzichtet und eine neues Berechnungsmodell geschaffen werden.

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