Rheinpfalz Zur Sache: Die Chronologie des Energieprojekte-Desasters

2008 bis 2010

Ein privater Investor aus Norddeutschland ist in der Südwestpfalz auf der Suche nach Standorten für Biogasanlagen. Höheischweiler und Höheinöd sind im Gespräch. In Höheinöd reift im Rahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) die Idee, eine Biogasanlage als kommunales Projekt zu stemmen. Zweites Leuchtturmprojekt soll ein Strohheizkraftwerk in Hermersberg werden, eine Pilotanlage im Land. Ein Strohheizkraftwerk in Norddeutschland, das zuvor gestartet war, scheitert. Stroh hatte sich als untauglich zum Heizen erwiesen. In der Verbandsgemeinde (VG) Waldfischbach-Burgalben wird am Projekt festgehalten. In Steinalben entsteht zeitgleich eine Hackschnitzelanlage mit zwei großen Kesseln. Noch ist nicht klar, was der Bau der Anlagen kosten wird, in welcher Höhe beispielsweise Abschreibungen notwendig werden, die über den Energiepreis zu erwirtschaften sind. Bereits 2009 gibt es Infoveranstaltungen für Bürger in den drei Gemeinden. Als Wärmepreis werden 4,75 Cent pro Kilowattstunde Wärmeenergie genannt. Ohne Kalkulationsbasis. Ein fataler Fehler. Schon 2010 ist klar, dass die für den Bau des Strohheizkraftwerks kalkulierten Kosten von 497.000 Euro, von denen die VG 286.000 Euro tragen sollte, auf 883.000 Euro steigen. Eigenanteil der VG: 618.000 Euro. 2010 bis 2012 Die drei Anlagen werden in Dienst gestellt. Schnell stellt sich heraus, dass Stroh kein geeignetes Heizmittel ist – zumindest wenn die Qualität nicht stimmt. Die Anlage wird in der Heizöl-Hochpreisphase mehr mit Öl als mit Stroh befeuert, um die Wärmeversorgung sicherzustellen. An der Biogasanlage tritt Silagewasser aus dem undichten Silo aus, läuft in den Klapperbach. Es folgen Brüche am Rührwerk. Das Rührwerk bereitet bis 2016 immer wieder Probleme. In vielen Fällen bleibt ungeklärt, wer was zu verantworten hat. Auch, weil in der Bauphase der Anlage der Projektierer gewechselt wird. Das macht eventuelle Haftungsansprüche unmöglich. Die Kommunalaufsicht hatte darauf hingewiesen, dass Kosten für die regenerativen Werke nicht über den allgemeinen Haushalt ausgeglichen werden dürfen. Das werde nicht passieren, hatte Verbandsbürgermeister Winfried Krämer in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ 2010 versichert. Doch ein Jahr später müssen die ersten Verluste in den allgemeinen Haushalt übertragen werden. Damit ist Fakt, was befürchtet worden war: Jeder Steuerzahler in der VG subventioniert den wenigen Nahwärmebeziehern deren günstige Heizpreise, die deutlich unter dem Marktpreis liegen. 2013 bis 2014 Jetzt erwischt es auch die Hackschnitzelanlage in Steinalben. Die größten Probleme bis dato: Sie wurde viel später fertig als angekündigt. Daher musste ein Hotmobil gestellt werden, um die Anschlussnehmer – gleichfalls per Öl – mit Wärme zu versorgen. Zudem war sie überdimensioniert. Um Kosten zu sparen, kauft die VG billiges und qualitativ schlechteres Heizmaterial. Die Folge: Der Kessel geht kaputt. Das Erneuerbare Energiengesetz wird geändert. Der Güllebonus als eine Einnahmebasis für die Biogasanlage in Höheinöd fällt weg. Die Kosten steigen und steigen. Die können allerdings nicht, wie von Gesetzes wegen vorgesehen, über die Beiträge der Abnehmer der Energie gedeckt werden. Denn eine sogenannte Preisgleitklausel, die eine Anpassung der Energiepreise möglich macht, gibt es in den Verträgen nicht. Die Millionenverluste laufen weiter in den allgemeinen Haushalt. 2014 Verbandsbürgermeister Krämer ist nach wie vor von der Richtigkeit der Projekte überzeugt. Bei der Wahl zum Verbandsbürgermeister wird Krämer nicht wiedergewählt. 2014 bis 2016 Lothar Weber (SPD) ist Verbandsbürgermeister. Das große Aufräumen beginnt. In den Schränken und Schubladen finden sich Schreiben, zurückreichend bis ins Jahr 2008, die belegen, dass Krämer als verantwortlicher Bürgermeister von der Aufsichtsbehörde wieder und wieder auf Risiken, Kostensteigerungen und fehlende Unterlagen hingewiesen wurde. Diese Schreiben hatte er dem VG-Rat vorenthalten. Der Wirtschaftsprüfer erklärt, dass er den Rat gerne über das gesamte Ausmaß der (roten) Zahlen informiert hätte. Das habe Krämer aber verhindert. Die Staatsanwaltschaft prüft wegen des Verdachts der Untreue, leitet aber kein Ermittlungsverfahren gegen Krämer ein. Der Steuerzahlerbund sieht einen Fall von erheblicher Steuerverschwendung. Die Energieprojekte landen im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes. Technische Mängel an den Anlagen, fehlende Ersatzteillagerhaltung, Bereitschaftsdienst im Schadensfall und vieles mehr werden korrigiert. Die WVE GmbH übernimmt die Betriebsführung im Strohheizkraftwerk. Die VG-Umlage muss drastisch angehoben werden, um die Verluste zu tragen. Die Ortsgemeinden legen Widerspruch gegen die Umlagebescheide ein. Kostenberechnungen zeigen, dass die VG die Werke inklusive Nahwärmenetz auf Jahre nicht kostendeckend betreiben kann. Der Verkauf der Anlagen wird zu einer Option. Ein Bieterverfahren startet. März 2017 Der VG-Rat beschließt einstimmig den Verkauf der Energiewerke an die WVE GmbH, Kaiserslautern. Kaufpreis: 410.000 Euro. Bei der VG verbleiben Schulden in Höhe von 6,3 Millionen Euro. Die sich um die noch zu ermittelnden Verluste aus dem Betriebsjahr 2016 erhöhen werden. Zu erwarten ist noch die Zahlung von Kapitalerstragsteuer, die über 600.000 Euro liegen könnte. Die Verluste trägt der Steuerzahler. |add

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