Rheinpfalz „Wir sind national sehr gut positioniert“

KAISERSLAUTERN. Wissenschaftsstandort Kaiserslautern: Auf der ganzen Welt werden mittlerweile IT-Produkte eingesetzt, die aus der Barbarossastadt stammen. Ob an der Technischen Universität (TU), an einem der Institute entlang der Trippstadter Straße, in jungen Start-up-Unternehmen oder etablierten Firmen, beständig werden neue Hightech-Produkte entwickelt. Julia Luttenberger hat sich mit Professor Peter Liggesmeyer, dem Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE) und Präsident der Gesellschaft für Informatik, über die Rolle Kaiserslauterns in der IT-Welt unterhalten.

Herr Liggesmeyer, was prägt den Wirtschaftsstandort Kaiserslautern?

In meiner Wahrnehmung ist Kaiserslautern mittlerweile im Wesentlichen ein Wissenschaftsstandort und ein Standort, aus dem sich aus der Wissenschaft heraus neue Unternehmen bilden oder sich traditionelle Unternehmen aus technischer Sicht neu aufstellen. Für den Wissenschaftsstandort stehen die Forschungsinstitute zusammen mit der Technischen Universität Kaiserslautern. Unternehmen, die technologieorientiert neue Themen verfolgen, sind beispielsweise Firmen wie insiders technologies, Mobotix und Co. Und ein gutes Beispiel für ein traditionsreiches Unternehmen, das es geschafft hat, sich mit innovativen Technologien zu modernisieren, ist die Firma Heger-Guss, die einer der ältesten Industrietechniken der Menschheit, der Gießerei, nachgeht. Hier werden heute mit modernster Technologie Gussteile für Windkraftanlagen produziert. Welche Rolle spielen die wissenschaftlichen Institute, die sich in Kaiserslautern angesiedelt haben, bei dieser Entwicklung? Grundsätzlich gibt es viele Universitätsstandorte, die über einen Informatikfachbereich oder über gute technisch ausgerichtete Fachbereiche verfügen. Bezeichnend für Kaiserslautern ist eben die Kombination aus TU und einer Vielzahl von Instituten, die auch noch nah beieinander untergebracht sind. Für die Studierenden existiert somit die Möglichkeit, an der Universität zu studieren und an den Instituten Erfahrungen zu sammeln. Die sie dann später praktisch umsetzen können? Die Institute sind besonders relevant im Hinblick auf die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse – dies kann man sehr schön am Fraunhofer-IESE festmachen: Wir sind ein Institut, das sich wie alle Institute der Fraunhofer-Gesellschaft der angewandten Forschung verschrieben hat. Es reicht bei Fraunhofer eben nicht, eine wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen. Die Arbeit ist erst erledigt, wenn diese wissenschaftliche Erkenntnis auch in ein innovatives Produkt eingeflossen ist, das erfolgreich vermarktet werden kann. Die Institutslandschaft in Kaiserslautern trägt also einerseits zu einer Abdeckung aller Facetten der Wissenschaftlichkeit bei. Gemeinsam mit der TU ergibt sich andererseits eine große thematische Breite, die von der allerersten Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis hin zur Umsetzung in innovativen Produkten reicht. Und was macht Kaiserslautern da so besonders? In Kaiserslautern ist einzigartig, dass diese Facetten innerhalb einer Disziplin, nämlich der Informatik, existieren: mit dem großen Fachbereich Informatik an der TU in Kooperation mit anderen Fachbereichen der Ingenieurswissenschaften und der Mathematik, aber auch mit den Fraunhofer-Instituten und dem DFKI, inklusive eines Max-Planck-Instituts, das sich ebenfalls dem Thema verschrieben hat. Wie steht Kaiserslautern im nationalen Vergleich da? Kaiserslautern besitzt im nationalen Vergleich ein sehr klares Profil. Wir besitzen eine spezielle Ausrichtung, die auch von außen erkannt wird: Systems Engineering, also die Entwicklung von Systemen, die eben keine reinen Softwaresysteme sind, sondern auch beispielsweise Aspekte aus dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik beinhalten. Um solche Systeme gut zu entwickeln, müssen die verschiedenen Disziplinen intelligent zusammengeschlossen werden. In Kaiserslautern macht man das seit Jahren und ist damit im nationalen Vergleich sehr gut positioniert. Woran liegt das? Die Vorteile des Standorts sind zum einen durch die Verzahnung der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und der unterschiedlichen Aspekte von Forschung charakterisiert. Die Kette aus Grundlagenforschung über angewandte Forschung bis hin zu einem realen Produkt oder einer echten Dienstleistung ist so geschlossen, was man an kaum einem anderen Standort in dieser Form wiederfindet. Der zweite Vorteil ist die familiäre Struktur in Kaiserslautern: Wir haben hier eine Stadt der kurzen Wege, die Entscheidungsträger in Kaiserslautern sind sich im Klaren über die Veränderungen, die erforderlich sein werden und auch schon stattfinden und sind bereit, diese zu unterstützen. Das betrifft die Leitungen der Universität und der Institute, aber auch die kommunale Politik und die Landespolitik. Ausgehend von dem wissenschaftlichen und technischen Know-how, das sich an der Wissenschaftsmeile in der Trippstadter Straße angesammelt hat: Für welche Unternehmen ist eine Kooperation interessant, woher kommen die Firmen? Kooperationen mit Kaiserslauterer Einrichtungen sind für viele Firmen interessant, weil die Expertise aus Kaiserslautern im Grunde genommen nicht auf einen einzelnen Bereich beschränkt ist, sondern eher darin besteht, komplizierte Systeme gut entwickeln zu können. Unser Angebot richtet sich damit unter anderem an Großunternehmen, die mit neuen Technologien wettbewerbsfähig bleiben wollen. Ein Beispiel: John Deere, das sich mit seinem europäischen Forschungszentrum hier angesiedelt hat, ist ein multinationaler Konzern im Bereich des Landbaus. Aber es betrifft eben auch Start-ups, die ein neuartiges Produkt oder neuartige Dienstleistungen anbieten und diese aktuell und innovativ weiterentwickeln wollen. Zum Teil finden wir auch Mittelständler, die sich in Kaiserslautern und der Region zu Schwerpunktthemen organisiert haben. In der Commercial Vehicle Cluster-Nutzfahrzeug GmbH (CVC) befinden sich neben den großen Nutzfahrzeugherstellern John Deere und Daimler auch sehr viele Mittelständler aus der Region, die zum Teil in ihren Nischen auch ausgesprochene Marktführerschaften besitzen.

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