Kultur Südpfalz Wenn Liebe sich zu der Liebe findet

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Wenn auch vom Open-Air-Sommerkonzert nur die open Air übrig blieb und auch die nur wolkenbedroht und zeitweise stark durchtröpfelt, so war der klangvolle Abend mit der Stiftskirchenkantorei und den zwei Klaviersolisten doch wenigstens ein zeitlich spätsommerliches, aber weithin nachwirkendes Erlebnis.

Als musikalisch sich vielfältig äußernde erbauliche Erinnerung reiht er sich in die vielen Veranstaltungen ein, die die Landesgartenschau auch auf diesem Gebiet im Gedächtnis, in Herz und Gemüt bewahren und dort fortdauern lassen. Das Bangen begann bereits um 18.35 Uhr: Drüben noch vereinzelte blaue Lücken, genau über der Sparkassenbühne aber auch eine zur Entladung bereit erscheinende tiefgraue Wolke – würde sie an sich halten über die Stunde hinaus, die die Serenade mit den beiden Zyklen von Brahms′schen Liebesliederwalzern andauern sollte? Die meteorologische Trübnis wich zwar nicht, aber chor- und instrumentalmusikalisch wurde die dann pünktlich um 19 Uhr einsetzende Veranstaltungsfolge zu jenem Glanzlicht, das Dekan Volker Janke in seinem Grußwort versprach, die die Stuhlreihen in erstaunlicher Dichte füllten, und dies jedenfalls soweit, „dass es uns warm wird“, wie der Dekan tröstlich meinte. Er wertete den Abend als weiteren Höhepunkt der Beiträge der Kirche zur Gartenschau. Vor einem Jahr, das noch vorweg, war diese Veranstaltung nach den Worten von Stiftskirchenkantor Stefan Viegelahn als „Sommerkonzert“ geplant worden. Gewidmet wurde sie Johannes Brahms, der immerhin soweit von sich überzeugt gewesen sein muss, dass er sich einen Esel nennen lassen wollte, wenn seine 1868 entstandene Sammlung von Liebesliedern „nicht einigen Leuten Freude machen“ würde. Von ihnen war der Ungarische Tanz in g-moll für Klavier zu vier Händen zu hören, kraftvoll gespielt von Verena Börsch und Karl-Heinz Simon. Beide begleiteten die Walzer, die der Chor zunächst allein einleitete mit Hans Leo Hasslers Aufforderung: „Nun fanget an, ein gut’s Liedlein zu singen“. Solistisch traten die Pianisten ein zweites Mal mit dem Tanz fis-moll hervor, ebenso geläufig und gefällig dargeboten. Brahms war unverheiratet, wie Viegelahn wissen ließ, stand aber der 14 Jahre älteren Freundin Clara Schumann nahe, in einem Verhältnis, über das die Nachwelt ebenso rätselt wie über einige Unklarheiten des Urheberrechts, in die er verwickelt gewesen sein soll. Die gesungenen Walzer komponierte er im wesentlichen auf Texte von Georg Friedrich Daumer. Aber auch Goethe ist einmal vertreten, wenn er den Chor ausrufen lässt: „Nun, ihr Musen, genug! Vergebens strebt ihr zu schildern, wie sich Jammer und Glück wechseln in liebender Brust“. Das taten sie dann auch in der Wiedergabe durch die Kantorei in einer Fülle von Seelenaufwallungen. Diese bewegten sich zwischen Verzückung und Kummer, romantischer Verklärung und bittersüßer elegischer Klage. Aber auch bis ans Derbe gereichenden Gefühlsausbrüchen und wohliger Herzensempfindung: „O wie schön, wenn Liebe sich zu der Liebe findet!“ Ja, da wogte man mit dem eigenen Innenleben richtig ein bisschen mit, abgesehen freilich von den Stellen, an denen es allzu offenherzig herging, etwa wenn die Geliebte angefleht wird: „Starre nicht so brünstiglich mir ins Angesicht! Wie es auch im Busen brennt, dämpfe deinen Trieb“. Das ist der Stil von vor 150 Jahren; wir würden das heute jedenfalls um einiges anders ausdrücken – vielleicht sprachlich ein wenig einfühlsamer, wenn nicht gar noch direkter. „Tapfer bleiben“ hatte der Mutzuspruch Stefan Viegelahns gelautet, das bezog sich allerdings eindeutig auf die Wetterlage. Die Kantorei sang die Stücke, in denen Brahms sich durch seinen melodischen Einfallsreichtum die zum Teil launigen, zum Teil schwelgerischen, zum Teil auch grantigen Texte Daumers musikalisch zu eigen machte, mustergültig. Das Publikum dankte dafür mit kräftigem Beifall. Betont galt dieser auch den Klaviersolisten für ihre kongeniale Begleitung wie aber auch ihrem tadelsfreien solistischen Auftritt. Einen Abstrich vielleicht muss man machen: Ein nach allen Seiten offenes, den Einwirkungen von Wind und Wetter frei zugängliches Auditorium ist nicht die Stätte der feinfühligsten Nuancen, und das gilt für die Sparkassenbühne der Landesgartenschau ebenso wie für alle ähnlichen Aufführungsorte wo auch immer. (hd)

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