Kultur Südpfalz Tanzende Saiten

Wie international das Internationale Musikfestival in Weißenburg sein kann, zeigte sich am Mittwoch. Da kamen die Mitglieder der Academy of Taiwan Strings unter der Leitung des polnischen Geigers Grzegorz Kotow mit dem russischen Pianisten Nikita Mndoyants und dem russischen Cellisten Lev Sivkov zusammen, um einen musikalisch spannenden Abend zu gestalten.

Ausgesprochen lebendig erklang die Wiedergabe des f-Moll-Klavierkonzerts von Bach. Mit Kotow als Konzertmeisters lieferten die Streicher der Academy of Taiwan Strings eine punktgenaue Orchesterbegleitung des Solisten. Nikita Mndoyants gab den Solopart mit stilgerecht trockener Artikulation und einer klaren Phrasierung. Leicht hingetupft und dabei in einem den ganzen Satz überspannenden musikalischen Bogen spielten der Solist und das Kammerorchester das Largo. Im Presto schlugen Mndoyants und die Academy of Taiwan Strings ein furioses Tempo an. In Joseph Haydns Cellokonzert in D-Dur trafen die taiwanesischen und Musiker gekonnt den lebendig pulsierenden Tonfall des Orchesterparts. Lev Sivkov spielte den Solopart ebenso souverän wie virtuos. Sivkovs technische Brillanz in Verbindung mit intensivem Ausdruck kam besonders in der Solokadenz des Kopfsatzes zum Vorschein. Im Adagio ließ der junge Cellist sein Instrument singen. Es handelt sich um eines der berühmten Celli des barocken venezianischen Instrumentenbauers Matteo Goffriler mit einem sehr charakteristischen Klang, der im sanft wiegenden Duktus des Adagios wunderbar zur Geltung kam. Mühelos meisterte Sivkov die anspruchsvollen Doppelgriffe, die Haydn in das muntere Finale hineinkomponiert hat. Als Dmitri Schostakowitsch das Streichquartett op. 110 in c-Moll schrieb, hatte er den Stalinismus überlebt und von den Ärzten eine schlechte Diagnose gestellt bekommen. Er widmete das Stück den Opfern von Krieg und Faschismus, aber auch sich selbst, erkennbar an dem Kernmotiv aus Tönen, die seinen Initialen entsprechen. Auch in der vom Komponisten anerkannten Bearbeitung des Stückes als Kammersinfonie durch Rudolf Barschai klingt vor allem eines durch: eine ziemlich düstere Sicht auf die Welt. Vom ersten Takt an fing die Academy mit Gregorz Kotow als Konzertmeister die dunkle Atmosphäre des Werks ein. In einem meisterhaft farblos gehaltenen Pianissimo legten Kotow und die Academy das Allegretto als einen gruselig geisterhaften Walzer an. Die wuchtigen Tonrepetitionen und das massiv aufgebaute Unisono des Kammerorchesters im vierten Satz erinnerten, wie vom Komponisten geplant, an die Scheinprozesse unter Stalin. Der Academy of Taiwan Strings gelang eine packende, atmosphärisch dichte Gestaltung des Stückes. Für den Ausklang hatte man die Komposition „Dancing Strings“ von Lee Chi-Yi aufgehoben. Sie ist den Streichern tatsächlich auf die Saiten komponiert worden. In mitreißender Spielfreude und mit rhythmischem Drive brachten die 15 Mitglieder die Saiten zum Tanzen. Info Heute und morgen gibt es, jeweils um 18 Uhr, ein Wiedersehen mit dem Gerhard Quartett aus Spanien. Das junge Kammerorchester Weißenburg stellt sich heute um 11 Uhr dem Publikum vor. (nl)

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