Rheinpfalz Sicherheitslage Streitthema im Landtag

MAINZ. Die in der vergangenen Woche von der Regierungskoalition angekündigten Maßnahmen gegen die Terrorgefahr sind gestern im Landtag auf Kritik der Opposition gestoßen. Das Sicherheitspaket verdiene diesen Namen nicht, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Lammert. AfD-Fraktionsvorsitzender Uwe Junge hat mit seiner Forderung nach einer „Verhaftungswelle“ empörte Reaktionen ausgelöst.

Wie berichtet, hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nach einem Spitzentreffen zum Thema Innere Sicherheit als Reaktion auf den Terroranschlag in Berlin angekündigt, bei Polizei und Verfassungsschutz mehr als fünf Dutzend Leute zusätzlich zur Einschätzung und Überwachung sogenannter islamistischer Gefährder einzusetzen. Außerdem sollen unter anderem die Möglichkeiten der Videoüberwachung bei Großveranstaltungen und die Vorsorge gegen Radikalisierung junger Menschen erweitert werden. Lammert sagte, 100-prozentige Sicherheit werde es nie geben. Allerdings hätten die Bürger einen Anspruch darauf, dass der Staat das Bestmögliche unternehme, um Sicherheit zu gewährleisten. In Rheinland-Pfalz jedoch sei die Polizei nach wie vor unterbesetzt. Die Anzahl der Polizeibeamten werde im Laufe dieses Jahres unter dem Strich noch einmal um 100 sinken. Nach dem Spitzentreffen sei Altbekanntes und Selbstverständliches wiederholt worden, viel Neues sei nicht dabei herausgekommen, kritisierte Lammert. Die 60 Stellen zur Beobachtung von Gefährdern seien keine zusätzlichen Stellen, sondern Umschichtungen. Zu der von Innenminister Roger Lewentz (SPD) angekündigten flächendeckenden Ausrüstung der Polizei mit sogenannten Bodycams erklärte der CDU-Abgeordnete: „Ich habe das schon gefordert, da wussten Sie noch nicht, was das ist.“ AfD-Mann Uwe Junge nannte die Maßnahmen der Regierung „im Kern richtig“, aber unzureichend und zu spät. In Berlin hätten zwölf Menschen sterben müssen, bevor die Landesregung die Terrorgefahren richtig erkannt habe. Vertreter der Ampelkoalition hingegen verteidigten das Sicherheitspaket der Regierung. SPD, FDP und Grüne verfolgten eine Sicherheitspolitik „mit Augenmaß“, sagte Lewentz. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Schwarz erklärte, es sei richtig, das Augenmerk verstärkt auf die Vorsorge in Schulen, Moscheevereinen und Jugendeinrichtungen zu legen. Das helfe, Radikalisierung junger Menschen durch Islamisten zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen. Die FDP-Abgeordnete Monika Becker und Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun warfen der CDU Panikmache und eine „gefährliche Fehleinschätzung“ der Sicherheitslage im Land vor. Auch Abgeordnete und Minister seien Menschen, die gerne einen Weihnachtsmarkt oder ein Fußballstadion besuchten, und deshalb sehr wohl wüssten, wie wichtig Sicherheit sei, sagte Becker. Empörte und lautstarke Reaktionen löste eine Äußerung Junges aus. Der AfD-Fraktionsvorsitzende warf den Sicherheitsorganen im Land indirekt vor, nicht zu wissen, wo überall Gefährder stecken und stellte die Frage: „Wo ist die Verhaftungswelle, die den Bürger schützen kann?“ Lewentz konterte erregt, Verhaftungswellen habe es unter den Nationalsozialisten und in der DDR gegeben, und es gebe sie derzeit in der Türkei. Die rheinland-pfälzische Polizei hingegen sei eine Polizei „auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung“. Auf diese Polizei sei er stolz, sagte der Minister. Lewentz nannte Junge einen „politischen Brandstifter“ wie der thüringische AfD-Chef Bernd Höcke. Der hatte kürzlich mit relativierenden Aussagen zum Holocaust für Empörung gesorgt. Die AfD-Fraktion verließ nach dieser Attacke von Lewentz auf Junge geschlossen den Plenarsaal des Landtags, bis der Minister seine Rede beendet hatte. Justizminister Herbert Mertin (FDP) reagierte auf Junges Äußerung mit den Worten „Verhaftungswellen gehören nicht zu Recht und Gesetz“. Bernhard Braun nannte die Worte des AfD-Fraktionschefs „fatal“ und „eine Schande“. |nob

x