Kultur Südpfalz Schritte zum Sieg?

Der gegenwärtige Zustand der Arbeit „D-6-7 oder der Schenkel der Nike“ von Martin Schöneich.
Der gegenwärtige Zustand der Arbeit »D-6-7 oder der Schenkel der Nike« von Martin Schöneich.

„Hä? Wo ist die Besprühung? Was? Steht ja gar nix mehr drauf! Is ja langweilig, so nackt!“, raunten sich die Hauptgäste, und damit die Schüler des Alfred-Grosser-Schulzentrums Bad Bergzabern verwundert zu, als Martin Schöneichs Kunstwerk „D-6-7 oder der Schenkel der Nike“ gestern Vormittag offiziell in ihrem Pausenhof enthüllt wurde. Aufgewacht ist die rostige Siegesgöttin an diesem denkwürdigen Morgen, der die 28. Kulturtage der Südlichen Weinstraße als dritte „Blickpunkt“-Auflage in Sachen Kunst im öffentlichen Raum einläutete, nämlich mit einer satten Ladung blauer Graffiti. Zur Feierstunde waren die meisten Aufschriften schon weggewischt. Nur der Teil mit dem Schriftzug „Nike – Just do it“, der den Werbeslogan einer amerikanischen Sportfirma so sinnig mit der zu einem Stahl-Schenkel reduzierten Siegesgöttin verknüpfte, war noch übrig und durfte es mit der geistesgegenwärtigen Genehmigung des Künstlers auch bleiben.

Dialog mit den richtigen Mitteln fortsetzen

Es ging bei diesen Kulturtage-Blickpunkten ausdrücklich um den Dialog der Schüler mit dem Künstler. Und auch darum, dass Kunst provozieren, zur Debatte anregen, zur Kritik animieren soll. Genau das hatten sich die Verantwortlichen doch gewünscht, aber im Vorfeld, wie Schulleiter Pete Allmann im öffentlichen Interview mit Schülersprecher André Helwich selbstkritisch einräumte, nicht genügend umgesetzt. So allerdings habe er sich die kritische Auseinandersetzung dann doch nicht vorgestellt, meinte der Schulchef und bat die Sprayer, die er stark in den Reihen seiner Schülerschar vermutete, sich später zu stellen – nicht der Strafe wegen, sondern um den Dialog mit den richtigen Mitteln fortzusetzen. So, wie das André Helwich bei seinen Fragen an die Landrätin und den Künstler souverän praktizierte. Klar sprach er aus, dass dieses Kunstwerk, ja überhaupt ein Kunstwerk mitten im Schulhof, sowohl von Schülern als auch von Lehrern sehr ambivalent diskutiert, ja von vielen rundweg abgelehnt wurde. Und so wollte er wissen, wie es überhaupt dazu kam. „Wer hat das bestimmt? Warum wurden wir nicht gefragt? Es kam einfach und wir mussten es akzeptieren. Wäre das Kunstwerk von Schülern mitgebaut, hätte jeder eine Anteil dazu beigetragen, wäre es vielleicht anders gekommen“, suchte André Erklärungen für den „Vandalismus“.

"Zusammengeschweißter Haufen Schrott"

Landrätin Theresia Riedmaier begründete die Vorgehensweise mit Zeitmangel bei der umfangreichen Konzeption der Kulturtage. „Das ist ein langer Prozess – jedes Jahr ein neues Thema, ein neues Projekt. Und ich habe schon lange Zeit im Kopf, dieses Projekt Blickpunkte zu vernetzen und ihm eine andere Richtung zu geben. Da war eine Vorgeschichte in mir, die ich fortgesetzt haben wollte.“ Bei der Umsetzung habe sie aber „lernen müssen“, dass das „zu knapp für die Unterrichtspläne war“. Allerdings sei in diesem Projekt, für das drei namhafte Künstler der Region je eine Skulptur für ein Schulzentren schuf, festgelegt, „dass die Künstler präsent und gesprächsbereit sind“. Und auch die Schüler seien jederzeit dazu aufgefordert selbst künstlerisch tätig zu sein. „Ich bitte um Verständnis, diesen Standpunkt, auch wenn er nicht geteilt wird, zu akzeptieren.“ Mehr Beifall als die Landrätin bekam der Künstler selbst, als er spontan anbot, dass sich jeder Schüler mit seinem Namen auf der Skulptur verewigen und dadurch an ihrer Einweihung teilhaben könne. Wobei das mit dem Verewigen recht endlich ist, weil das Material ja mit der Zeit rostet. „Jetzt sieht es jedenfalls noch aus wie ein zusammengeschweißter Haufen Schrott“, meint ein 16-Jähriger im Gespräch mit Mitschülern der Jahrgangsstufe 11. Ein Zweiter fügt an, was sein Kurs mit einem Lehrer tags zuvor im Unterricht feststellte: „Wir hätten dringend Laptops und Stifte fürs Whiteboard gebraucht – jetzt haben wir ein Kunstwerk. Aber nur dafür gab es wohl Geld vom Land.“

Warum nur die Schenkel?

Eines muss man dem neuen Kunstwerk – ob man es nun befürwortet oder ablehnt – aber zugestehen: Es hat binnen kürzester Zeit für mehr Diskussionsstoff gesorgt als sich Auftraggeber und Künstler je hätten träumen lassen. Und als Martin Schöneich dann erklärte, was er sich selbst beim Entwurf dieser Stahlskulptur gedacht hat, bekam er sogar viel spontanen Beifall. Das D stehe für den Durchblick und damit für ein Thema, „das mich schon eine ganze Weile beschäftigt“ und das auch gut zur Arbeit in einer Schule passe.“ D-6-7 bedeute, „dass es sich um meine sechste Skulptur im Jahr 2017 handelt“. Die Kombination mit Nike sei ihm in den Sinn gekommen, „weil Nike die Siegesgöttin ist und der griechischen Mythologie entspringt, die hier an der Oberstufe gelebt, gelehrt und Theater gespielt wird“. „Warum aber nur ihr Schenkel?“, hakte André nach. „Ich wollte keine ganze Figur machen. Das war mir zu langweilig. Also hab ich den Oberschenkel herausgenommen, weil der Oberschenkel einen Schritt nach vorne darstellt – den entscheidenden Schritt, der zum Sieg führt.“ Womit im Pausenhof unter den diskussionsfreudigen Schülern schon wieder eine kritische Betrachtung darüber in Gang kam, ob „das mit zu viel Sieg“ in Bezug auf ihre Schule nicht eher unsympathisch sei. „Da bekommt man doch eher ein mulmiges Gefühl – so, als wolle man immer nur gewinnen.“ Info —Am Mittwoch, 6. September, 10 Uhr, ist im Gymnasium Edenkoben die Übergabe des Blickpunkts „Die Gedanken sind frei“ von Volker Krebs. —Am Freitag, 8. September, 10 Uhr, ist im Pamina-Schulzentrum Herxheim die Übergabe des Blickpunktes „Pamina-Kopf“ von Karlheinz Zwick.

Halb verhüllt noch, aber schon besprüht. Die Situation morgens.
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Die 9c hat sich verewigt.
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