Kultur Südpfalz Schrecken des Krieges

Einen anregenden Liederabend gab der Tenor Steven Ebel im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters. Im Zentrum stand die Uraufführung des von ihm komponierten Liederzyklus „Die Reise der Soldaten“, einem Auftragswerk der „Europäischen Kulturtage Karlsruhe“.

Für die an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnernden „Europäischen Kulturtage Karlsruhe“ gestaltete der amerikanische Tenor Steven Ebel einen perspektivenreichen Liederabend, bei dem Kompositionen, die den Schrecken des Krieges reflektieren, mit Liedern kombiniert wurden, die zeitlich parallel dazu entstanden sind. Ebel, der am Badischen Staatstheater als erster Geharnischter in der „Zauberflöte“ oder in Brittens „Peter Grimes“ zu erleben war, schuf zudem mit der „Reise der Soldaten“ einen das Grauen des Kriegsgeschehens künstlerisch vielfältig kommentierenden Zyklus. Dieses Auftragswerk der Kulturtage verbindet Texte von Dichtern aus sieben europäischen Nationen in vier Sprachen und zitiert nicht nur mehrfach Schuberts „Lindenbaum“ aus der „Winterreise“. Dessen Zyklus diente als Vorlage für die Konzeption der „Reise der Soldaten“. Zudem zeigen sich bei dem freitonal gehaltenen Zyklus auch Einflüsse der Kompositionstechniken, wie sie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts en vogue waren. Wobei Ebel, der Mitglied der Meisterklasse des Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm an der dortigen Musikhochschule ist, für seinen Zyklus recht unterschiedliche Texte gewählt hat. Die Gewalt von August Stramms „Granaten“ – der expressionistische Autor fiel 1915 an der Ostfront –, deren Zersplitterung der Sprache einhergeht mit der Erfahrung der Gewalt im Kampf („Splittern Klatschen Knarren Knirschen“) spiegelte sich in von mit dem Unterarm gespielten Clustern im Klavierpart wider. John Parr war dem amerikanischen Tenor auch hier ein zuverlässig-aufmerksamer Klavierpartner. Während Guillaume Apollinaire dem Krieg Verse von irritierender Schönheit widmet, ist das Gebet von Giuseppe Ungaretti eine verzweifelt-hoffnungsarme Anrufung Gottes, bei Ivor Guneys „Abendmusik“ hingegen mit ihren Schubert-Einschüben bekommt der Krieg unfreiwillig komische Aspekte zugemessen, während Harald Monros „Verwundung“ fast naturalistisch daherkommt. Im Epilog nach Thomas Mann wird nach all der Schilderung des Schreckens hingegen die Frage gestellt, ob nach „diesem Weltfest des Todes“ doch Hoffnung bleibt und „einmal die Liebe steigen“ wird. Ebel sang diesen motivisch vielfach im Klavierpart verknüpften Zyklus mit deklamatorischer Klarheit und expressiver Ausdruckskraft. Die Qualitäten seines technisch gut geführten, mit manch schön gestützten Piano aufwartenden Tenors, der in stabilen Höhe gelegentlich etwas neutral klingt, prägten die weiteren Lieder, die entweder thematisch mit dem Krieg wie bei Ivor Gurney oder Charles Ives verbunden sind oder deren Entstehung in die Kriegszeit fallen wie die der jung verstorbenen Lili Boulanger und Richard Strauss. Nachdrücklich gestaltete Ebel Lieder aus „Ludlow and Theme“ von Ivor Gurney, die das Schrecken des Krieges direkt reflektieren. Charles Ives „Three songs of War“, von dem im Laufe des Abends an Klangfarben gewinnenden Tenor und dem prägnant agierenden Pianisten Parr mit großem Nachdruck und Gefühl für die eigene Stilistik des amerikanischen Avantgardisten versehen, sind hingegen von Kriegserlebnissen aus der Distanz geprägt. Mit ansprechender Farbigkeit sang der Tenor zudem eine Auswahl aus dem Zyklus „ Clairières dans le ciel“ der 1918 verstorbenen Lili Boulanger, während er bei den drei Liedern aus dem „Westöstlichen Divan“ Goethes von Richard Strauss durch deklamatorischen Feinschliff überzeugte. Ein höchst hörenswerter Liederabend, der nicht nur unterstrich, dass Steven Ebel ein sehr ernstzunehmender Liedgestalter ist, sondern auch an die Qualität des Ensembles des Badischen Staatstheaters erinnerte. (gt)

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