Rheinpfalz Privatleben als späte Verlockung

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Mannheim. Wer nachliest, in wie vielen Ausschüssen und Arbeitsgruppen Egon Jüttner Mitglied ist, dem schwirrt der Kopf. Als Mitglied des deutschen Bundestags ist er Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Mitglied der parlamentarischen Versammlung der OSZE, Mitglied im Arbeitskreis Lateinamerika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied des Arbeitskreises Afrika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – und diese Liste ließe sich noch fortsetzen. Egon Jüttner ist eben kein Mann, der sich vor Aufgaben drückt. Als Abgeordneter reiste er um die ganze Welt, repräsentierte die Bundesrepublik bei Feierlichkeiten oder fungierte für die OSZE als Wahlbeobachter – jüngst übrigens auch in Washington. Trotz seinen vielen Reisen weiß Jüttner stets gut darüber Bescheid, was in seinem Wahlkreis los ist. „Ich bin Mitglied der CDU-Fraktion im Stadtrat“, sagt er. „Ich bekomme Dinge hautnah mit und kann mich dann in Berlin für unsere Ziele einsetzen.“ So kämpfte Jüttner mit seinem SPD-Kollegen Lothar Mark für den Bau der S-Bahn-Trasse über den Rhein. Auch dagegen, dass der Mannheimer Hauptbahnhof abgehängt wird, machte der CDU-Politiker sich stark. Sein offenes Ohr für die Belange der Bevölkerung war Anfang der 70er-Jahre der Start seiner politischen Laufbahn: „Ich habe mich in der Bürgerinitiative Umweltschutz Rhein-Neckar engagiert“, erzählt Egon Jüttner, der 1968 von Berlin nach Mannheim-Sandhofen kam, wo seine Ehefrau die elterliche Apotheke übernahm. Zunächst wollte Jüttner nach seinem Anglistik- und Romanistikstudium an der Universität in Saarbrücken noch Pharmazie in Heidelberg studieren, doch dann bot man ihm eine Stelle als Lehrbeauftragter an der Universität in Mannheim an, die er annahm. Durch sein ökologisches Engagement kam er zum Bürgerverein Sandhofen und wurde bald dessen Vorsitzender. „Dann fragte mich der damalige Rektor der Uni Mannheim, ob ich nicht in die CDU eintreten wolle.“ Jüttner wollte und wurde 1980 Bezirksrat in Sandhofen. 1984 schaffte er den Sprung in den Mannheimer Stadtrat. Dass er 1990 in den Bundestag kam, habe er den Grünen zu verdanken, erinnert sich der 74-Jährige und lacht. „Ich hatte mit meinem Listenplatz eigentlich keine Chance, aber weil die Grünen damals in West und Ost getrennt zur Wahl antraten, hat es geklappt.“ Schon bei der nächsten Bundestagswahl 1994 holte Jüttner das Direktmandat – das erste eines CDU-Politikers in Mannheim. Viele Bürger wenden sich mit ihren Sorgen und Nöten an den Politiker. „Ich bekomme Briefe von Mannheimern, die zu wenig Rente bekommen oder einfach nur ein neues Waschbecken in ihrer GBG-Wohnung haben möchten.“ Und Jüttner kümmert sich darum – mit der Unterstützung seiner Mitarbeiter. „Jeder, der mir schreibt, bekommt eine Antwort.“ Das Pendeln nach Bonn und später nach Berlin, die vielen Reisen, das unermüdliche Engagement und seine Professur an der Universität der Bundeswehr in München (1976-2007) ließen dem Wahl-Mannheimer nicht viel Zeit für Privates. Deshalb hat er sich entschlossen, 2017 nicht mehr zur Bundestagswahl anzutreten. „Ich werde nächstes Jahr 75“, erklärt er. „Weitere vier Jahre wären doch sehr anstrengend gewesen. Außerdem möchte ich mehr Zeit für meine Familie haben.“ Auch im Wahlkampf werde er sich nicht engagieren, betont Jüttner. Sein Wunschkandidat als Nachfolger, der Chef des Reitervereins Peter Hofmann, wurde von seiner Partei nicht berücksichtigt. Der 30-jährige Nikolas Löbel wird seinen Hut in den Ring werfen. Jüttners Prognose für die Bundestagswahl: „Das wird knapp. Einen Durchmarsch wie 2013, als wir alle 38 Direktmandate in Baden-Württemberg gewonnen haben, wird es nicht geben.“ Mit der AfD müsse man rechnen, so der Politiker, aber auch die FDP werde wohl die Fünf-Prozent-Hürde knacken. „Die kleinen Parteien werden Stimmen gewinnen, die großen verlieren“, schätzt er. „Ich kann nur hoffen, dass uns ein Niveau wie das im US-Wahlkampf erspart bleibt.“ Für 2017 hat Egon Jüttner bereits jede Menge Pläne: „Ich werde nicht in ein Loch fallen, ich behalte schließlich mein Mandat als Stadtrat. Außerdem möchte ich viel reisen und mehr Zeit mit meiner Frau, meinen Kindern und meinen Enkeln verbringen.“ Die Serie In der Serie „Neues Jahr, neues Glück“ stellen wir Menschen aus Mannheim vor, die mit dem Jahr 2017 aus sehr unterschiedlichen Gründen besondere Erwartungen verknüpfen.

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