Rheinpfalz Nicht wegrennen!

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Mit schwarz-gelb gestreiften Tieffliegern hat es der Kleine nicht so. Vor allem, wenn sie im Sommer hartnäckig um einen herumschwirren, weil sie scharf auf die Salami sind. Er vermutet: Sie können seine Angst riechen – und kommen deshalb besonders gern zu ihm und nicht zu der Großen oder zur Mama oder zum Papa.

Ein Wespenstich tut weh. Aber wer sich das richtige anzieht und kühlen Kopf bewahrt, hat gute Chancen, dass die Insekten einfach weiterfliegen, sagt ein Experte.

Jürgen Tautz, Jahrgang 1949, arbeitet am Biozentrum an der Universität Würzburg und ist Gründer des Honigbienenprojekts Hobos. Dort kann jeder per Internet das Innenleben mehrerer Bienenstöcke verfolgen. Seit Jahrzehnten erforscht der gebürtige Heppenheimer die Insekten. Herr Professor Tautz, bisher war meine Taktik, Stiche zu vermeiden: Sobald sich eine Biene oder Wespe nähert, kreische ich laut, um das Insekt zu verwirren; dann renne ich weg. Das funktioniert schon seit 23 Jahren. Mich hat noch nie etwas gestochen. Dann würde ich sagen, da haben Sie enorm Glück gehabt. Wenn Sie mir jetzt nicht gesagt hätten, dass das schon so lange funktioniert, hätte ich gesagt: Das ist die sicherste Methode, um gestochen zu werden. Denn erstens sind Bienen und Wespen taub. Die hören nichts. Sie nehmen Schall nur wahr, wenn sie auf einem Untergrund sitzen, der durch den Schall in Schwingungen versetzt wird. Und zum Wegrennen: Das reizt eine Biene oder Wespe im Kampfmodus, die Verfolgung aufzunehmen, und da können sie wirklich sehr hartnäckig sein und bis zu 50 Meter hinterherfliegen. Aber wenn das Insekt schon im Kampfmodus ist, sticht es ja sowieso, dann ist das Wegrennen doch einen Versuch wert, oder? Ja, also zumindest könnte man versuchen aus dem Gesichtsfeld der Biene oder Wespe zu gelangen, zum Beispiel hinter einer Hausecke verschwinden, dann ist man wirklich weg. Solange sie Sie sehen kann und vor allem die Bewegungen sehen kann, bleibt sie in der Regel als Verfolgerin auf den Fersen. Wie schnell fliegt denn eine Biene oder Wespe eigentlich? 30 Kilometer pro Stunde. Also Sprintgeschwindigkeit. Das sind knapp 100 Meter in 10 Sekunden. Nur Usain Bolt ist schneller. Oh, dann hab ich ja alles falsch gemacht. Haben Sie vielleicht eine bessere Verteidigungsstrategie für mich? Das Allersicherste ist, ganz ruhig stehen zu bleiben und sich wirklich gar nicht zu bewegen, weil diese Insekten Bewegungen wirklich ausgezeichnet sehen können, fast wie in Zeitlupe. Das heißt, wenn Sie schnelle Bewegungen machen, zum Beispiel mit der Hand nach den Insekten schlagen, dann ist das eine Bewegung, die von den Wespen und Bienen enorm gut gesehen wird. Je langsamer man sich bewegt, desto schwieriger ist man zu entdecken. Ich hab gehört, es gibt Zeiten, in denen Wespen besonders aggressiv sind. Wann ist das denn? Das ist zum einen situationsabhängig. In der Nähe eines Wespennests wird man auch angegriffen, ohne die Wespe provoziert zu haben. Zum anderen sind sie besonders aggressiv, wenn die Wespenpopulation auf ihrem Höhepunkt angekommen ist, das ist so etwa im Juli oder August der Fall. Und wenn eine gewisse Nahrungsknappheit herrscht. Gibt es vielleicht eine Farbe, auf die man bei der Klamottenwahl verzichten sollte, wenn man Wespen oder Bienen nicht ärgern will? Was man vermeiden sollte, weil es Bienen und Wespen böse macht, sind dunkle, also gerade schwarze Textilien, die außerdem noch flauschig oder wollig sind. Das wird bei den Insekten nicht gern gesehen. Je heller und glatter der Stoff, desto günstiger ist es. Woran liegt das? Wird man dann für ein bedrohliches Tier gehalten? Das kann man nur spekulieren und ich denke tatsächlich, dass Sie richtig liegen. Die natürlichen Haupt-Feinde der Bienen und Wespen sind große Säugetiere, die an den Honig oder die Brut heranwollen, und ich könnte mir gut vorstellen, dass man mit einem schwarzen Pullover für einen wolligen Bär oder so gehalten wird. Gibt es auch einen Duft, also Parfum, Deo oder Haarspray, der Wespen und Bienen verärgert? Nein, nicht dass ich wüsste. Mir ist nichts bekannt, dass der Mensch von Gerüchen Gebrauch macht, die von den Insekten nicht gemocht werden. Aber als Kind wurde mir immer gesagt, dass Wespen meine Angst riechen können und dann eher stechen, deswegen sollte ich meine Angst nicht zeigen. Stimmt das denn? Ja, das sind jetzt so die Großeltern-Tricks. Aber tatsächlich richtig ist, dass im Sommer, wenn der Imker seine Bienentröge aufmacht, um nach seinen Bienen zu sehen, und dann sehr verschwitzt ist, dann wird er mehr gestochen. Und bei Angst neigt man ja dazu, dass man viel schwitzt. Und das ist etwas, das den Bienen und Wespen über die Ausdünstung zumindest den Weg zum Opfer weist. Je ruhiger und entspannter man ist und deshalb nicht vor Angst verschwitzt, umso sicherer ist man. Nur blöd, dass man ausgerechnet im Sommer so viele Wespen beim Grillen anlockt. Kann man das irgendwie vermeiden? Da gibt es ja so Hausmittelchen wie Kupfergeld oder angezündeter Kaffeesatz ... Alles Käse, also da empfehle ich wirklich, einfach zuzuschauen. Wespen sind Fleischfresser, nicht wie Bienen, die den Blütennektar essen. Und weil Wespen so eine enge Taille haben, können sie keine großen Fleischbrocken schlucken. Sie machen dann Folgendens: Sie sägen aus dem Steak ein Stück Fleisch heraus, das sie grade noch so schleppen können. Wie ein schwer beladener Hubschrauber starten sie und fliegen zu ihrem Nest zurück, denn die Larven können das fressen. Und wenn die Larven das gegessen und so halb verdaut haben, dann würgen sie das wieder hoch. Und diese, ich sag jetzt mal, Wespen-Larven-Kotze fressen die erwachsenen Wespen. So läuft das bei denen. Wenn die Wespen ihre zwei, drei Stücke Fleisch geholt haben, dann sind sie weg. Sie raten also, die Wespen einfach mitessen zu lassen? Ja, nur aufpassen, dass man sich nicht draufsetzt oder sie in den Mund bekommt. Im Sommer sollte man nie aus unverschlossenen dunklen Flaschen trinken, weil Bienen und Wespen eben auch auf der Suche nach Flüssigkeit sind und in die Flasche hineinkriechen können. Ein Stich im Mundbereich kann zu wirklich bedrohlichen Schwellungen führen. Jetzt mal angenommen, eine Biene oder Wespe hat sich schon auf meine Hand gesetzt. Wie werde ich die am besten wieder los? Schütteln, pusten? Also, wenn eine Wespe Sie stechen möchte, dann setzt sie sich nicht erst auf die Hand und sticht dann zu, sondern sie kommt wie ein Tiefflieger angesaust und wird praktisch beim ersten Kontakt mit der Haut stechen. Wenn also eine Wespe oder Biene auf Ihnen gelandet ist, kann ich nur raten, die Lage zu nutzen und dem Verhalten von sehr interessanten Insekten zuzuschauen. Spätestens nach ein paar Minuten fliegen sie auch schon wieder weiter. Okay, aber wenn die Biene oder Wespe in den Ärmel krabbelt? Ja, dass die Insekten unter die Kleidung kommen, sollte man natürlich vermeiden, weil da fühlen sie sich natürlich eingeengt und stechen zu. Eben. Also in dem Fall dann lieber runterschütteln oder wegpusten? Dann ist runterschütteln besser, denn wenn Sie pusten, atmen Sie Kohlendioxid aus und das ist ein Gas, das die Insekten reizen könnte. Also es geht gar nicht um den Wind, den man beim Ausatmen macht, sondern der Kohlenstoffgehalt reizt die Insekten, weil vermutlich ein großes Säugetier, das ein Nest aufreißt, ja auch in das Nest atmet. Und das bedeutet für die Insekten Gefahr. Und was ist mit Hummeln? Können die auch stechen? Ja, Hummeln können auch stechen. Genau wie bei Bienen und Wespen sind es nur die weiblichen Tiere, die stechen können, weil der Giftstachel sich aus einem ursprünglichen Eier-Lege-Stachel entwickelt hat. Wie kommt’s, dass Hummeln so viel seltener stechen? Hummeln zeigen ein Drohverhalten, bevor sie stechen. Das machen Bienen und Wespen nicht. Das Drohen verjagt meist einen Angreifer, sodass die Hummeln nicht stechen müssen. Und wenn sie doch stechen, bleibt der Stachel dann in der Haut stecken, so wie bei einem Bienenstich? Nein. Manchmal hört man, dass Hummeln beißen. Stimmt das? Nein, Hummeln beißen nicht. Alle Insekten haben zwar Mundwerkzeuge, mit denen sie beißen können. Und Hummeln nutzen das zum Beispiel, wenn sie Blüten aufbeißen, an die sie mit ihrem Saugrüssel nicht herankommen können. Aber sie beißen nicht zur Verteidigung oder als aggressiven Akt.

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