Eisenberg Im Notfall sitzt jeder Handgriff

Es können Minuten sein, die im Extremfall über Leben und Sterben entscheiden. Damit schwerverletzte Menschen die besten Überlebenschancen haben, wurde vor rund einem Jahr das Traumazentrum am Westpfalz-Klinikum in Kirchheimbolanden gegründet. Mehr als 30 Menschen wurden seither dort behandelt.

Einer davon war ein junger Motorradfahrer. Er kam mit seiner Maschine von der Straße ab und raste mit 70 Stundenkilometern in eine Leitplanke. Von einem „Rasanztrauma“ – Verletzung mit hoher Geschwindigkeit – spricht der Mediziner in diesen Fällen. Die Rettungskräfte versorgten den Mann vor Ort und brachten ihn dann in den Schockraum nach Kirchheimbolanden. „Er war bei Bewusstsein und hatte große Schmerzen“, schildert Dr. Julian Bluhm, Leiter des Traumazentrums Kirchheimbolanden, diesen Fall. Der junge Mann war extrem kurzatmig, der Grund dafür war ein Pneumothorax – durch die Verletzungen war die Lunge gequetscht, der Mann stand kurz vorm Kollaps. „In einem solchen Fall muss alles sehr schnell gehen“, macht Bluhm deutlich. Und genau das ist gewährleistet in einem Schockraum, dem Kernstück des Traumazentrums. Hier setzen Bluhm und sein Team das um, was ihnen in speziellen Schulungen über anderthalb Jahre beigebracht wurde. „Im Schockraum arbeiten wir immer als Team“, erklärt Bluhm. Zwischen vier und sechs Personen – je nach Art und Schwere der Verletzung des Patienten – stehen bereit, sobald ein Patient eingeliefert wird. „Jeder weiß ganz genau, was er zu tun hat“, so Bluhm. In den meistens Fällen werden die Patienten über den Rettungsdienst eingeliefert. Sobald die Rettungskräfte die Erstversorgung gemacht haben, informieren sie das nächstliegende Traumazentrum über ihr Kommen und über den Zustand des Patienten. Im Schockraum werden bis dahin alle nötigen Vorbereitungen getroffen. „Wenn der Patient bei uns ankommt, dann stehen wir schon bereit und können ihn ohne Verzögerung in Empfang nehmen“, sagt Bluhm Die Erstversorgung – Atmung und Kreislauf stabilisieren und Blutung stillen – könne in einem Traumazentrum besonders effektiv laufen. „Der zuständige Arzt muss nicht, wie früher üblich, den Assistenten und Helfern Anweisungen geben“, erläutert Bluhm. Jeder Handgriff sitze, jeder wisse genau, was seine Aufgaben seien, das sei ein enormer Zeitvorteil. Noch im Schockraum werden dann alle weiteren Schritte von einem eigens dafür zuständigen Assistenten veranlasst. So werden per Hausnetz Laborwerte geordert oder eine Operation angekündigt, so dass der Patient falls nötig unverzüglich in den OP gebracht werden kann. Stellt sich heraus, dass Kirchheimbolanden den Patienten nach der Erstversorgung nicht weiterbehandeln kann, wird er an ein Krankenhaus der Maximalversorgung weitergeleitet. „Wir arbeiten im Verbund mit der Unfallchirurgie am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern zusammen und mit der BG Unfallklinik Ludwigshafen“, erklärt Bluhm die Struktur des Traumanetzwerkes Pfalz, und kommt zurück zum Beispiel des jungen Motorradfahrers. „Nachdem wir den Mann stabilisiert hatten, wurde er auf weitere Verletzungen untersucht.“ Dabei sei festgestellt worden, dass er auch an der Wirbelsäule Verletzungen erlitten hatte. „Wir brachten ihn dann in die BG-Unfallklinik, wo er operiert und weiterbehandelt wurde.“ Nach dem Zusammenschluss zum Traumanetzwerk gehe das heute völlig problemlos, denn es besteht eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit, wann immer das für den Patienten wichtig ist. „Früher konnte es dagegen schon passieren, dass wir einige Krankenhäuser abtelefonieren mussten, bis wir eines hatten, das gerade die Kapazitäten hatte und den Patienten aufnehmen konnte“. Im Gegenzug verpflichten sich aber auch die kleinere Häuser, im Bedarfsfall Patienten aufzunehmen, die noch „ausbehandelt“ werden müssen. „Wir hatten beispielsweise einen Mann, der in der Unfallklinik operiert und erstversorgt worden war. Zum Weaning – der Entwöhnung nach einer Beatmungsphase – wurde der Mann dann nach Kirchheimbolanden verlegt und anschließend hier noch einige Tage versorgt, bis er schließlich entlassen werden konnte.“ Auf diese Weise könne ein kleines Haus wie Kirchheimbolanden auch die großen Zentren entlasten, so Bluhm. Für ihn ist das Traumazentrum ein enormer Gewinn. „Natürlich haben wir schon immer alles getan, um Menschen zu helfen, die mit schweren Verletzungen zu uns gekommen sind“, sagt er. Und natürlich seien Ärzte, insbesondere Unfallchirurgen, genau dafür auch ausgebildet. Aber mit dem strukturierten Ablaufplan sei es viel einfacher und effektiver, und damit schneller. „Und in diesen Situationen sind es oft Minuten, die darüber entscheiden, ob jemand leben kann oder stirbt“, sagt Bluhm.

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