Rheinpfalz „Gott erhalte den Rohbau“

KAISERSLAUTERN

. „Guckt man sich Luftbilder an, dann sieht man schön, wie die Stadt durch den Bau verdichtet wird“, stellt Helmut Kleine-Kraneburg fest. Generell gehörten Malls in die Stadt. Die Grundform der Einkaufsgalerie ist „überraschend gut“. Die geschwungene Linie gefällt ihm, und ohne die Rotunde − ein eigenes Thema − würde man den Kirchturm der Marienkirche sehen. Das Parken auf dem Dach gefällt ihm auch. Hier wird durch den freien Blick über die Stadt eine Außenbeziehung hergestellt. Für die Stadtloggien auf der Seite der Marktstraße, wo der Kunde im Freien sitzen kann, gilt das ebenfalls. Kleine-Kraneburg rekapituliert. Das alte Karstadt mit dem freien Platz davor war eine „hochwertige Brache“, um die sich niemand mehr gekümmert hat. Mit der Mall-Bebauung wurde eine Chance genutzt, die ihm allerdings in ihrer architektonischen Gestaltung und ihrer inneren Funktion zu beliebig, oft zu marktschreierisch und unverständlich ist. Ihm fehlen klare Strukturen. Und Kleine-Kraneburg sagt das, was alle Architekten immer wieder sagen: Es hätte ein städtebaulicher und ein architektonischer Wettbewerb ausgeschrieben werden müssen. Dann hätte man eine Mall bekommen, die Architekturtouristen angezogen hätte. „ECE hat schon versucht, eine aufwendige Fassade hinzusetzen“, schaut Kleine-Kraneburg von der Fackelstraße her auf das „K in Lautern“. Aber: „Es wurde hier alles verbacken, was gerade architektonisch modisch ist.“ Er zeigt auf die beiden Eckhäuser am Eingang der Fackelstraße: solide Steinhäuser mit Stadtstruktur. „Die kann man immer noch angucken.“ An der Mall, so glaubt er, hat man sich nach zwei Jahren satt gesehen. Besonders an dem grünen Lamellenglas an der Frontseite. Tote Zonen im Erdgeschoss entlang der Fruchthallstraße, die Arkaden hier sind keine Arkaden, nur eine simple Überdachung. Darunter spielt sich nichts ab. Dann − zum Fackelbrunnen − wechselt die Fassade von Naturstein ins Grüne. Warum? Unverständlich. Eine Portion Zurückhaltung hätte hier gut getan. Am Kopf der Mall, wo „Reserved“ eingemietet ist: „Hier habe ich zwar Weite, aber nur den Geschäftseingang, keine Restauration.“ Schade, meint er. Verschenkte Chance, weil nicht belebt. Der Architekturprofessor zeigt auf die Fruchthalle, aufs Rathaus, aufs Burggymnasium. Schöne, prägende Gebäude mit Aussage. Dann die Maxstraße: ganz tot. Nur Schaufenster, meist ohne etwas drin, und tote Eingänge. Dann steht der Architekt wieder vor der Rotunde, dieses Mal auf der Seite der Mühlstraße. Die Rotunde. Ganz und gar nicht sein Ding. Falsch in der Ausführung. Ein fetter Minuspunkt. „Wenn ich eine Rotunde baue, muss ich sie auch rund bauen“, dann dürfe das Runde nicht vieleckig sein, das Glas nicht polygonal aneinanderstoßen. Generell hält Kleine-Kraneburg die Rotunde für überflüssig. Eine offene Passage im Erdgeschoss zum Durchgehen, ohne Türen, sozusagen barrierefrei, hätte es getan. Man hätte im Inneren oben durchgehende Flure gebaut und die Rolltreppen versetzt. So wäre zudem eine durchgängige Fassade entstanden, die die Architektur und damit die Optik verschönert hätte. Die Rolltreppen ärgern Kleine-Kraneburg richtig, weil sie fehlen. Vom ersten Obergeschoss ins Erdgeschoss. Verheerend. Der Kunde muss, will er ins Erdgeschoss, durch einen Seitengang laufen, um von dort mit der Rolltreppe ins Erdgeschoss zu gelangen: „Ich werde gezwungen, etwas zu machen, was ich nicht will.“ Das geht überhaupt nicht: „Das macht mich fertig.“ Eine Rolltreppe mehr oder weniger spielt keine Rolle, konstatiert er. Die Durchlässigkeit, die „Durchgängigkeit habe ich eh’ nicht“. Und innen? Was man außen ahnt, setzt sich innen fort: komplett überladen. „Das fängt bei den Decken, den Stützen und den Deckenspiegeln an“. Die Geschäfte in ihrer Vielseitigkeit bringen seiner Meinung nach genug Farbigkeit hinein. „Wieso dann noch so eine marktschreierische Architektur?“ Das Innere ist „zusammengebastelt, überfrachtet, undefiniert“. Schön findet der Architekt von der TU am Ende des Flurs zum Fackelbrunnen hin die Öffnung nach oben. Nach all dem Kunstlicht fällt in einer Art Atrium die Sonne in die Mall. Die Öffnung nach außen lässt sich im Food-Court im zweiten Obergeschoss ebenfalls genießen oder ganz oben auf dem Parkdeck. Dort kann der Blick schweifen. „Wenn man aus dem Tohuwabohu heraustritt, blickt man in die Weite.“ Sein Fazit: „Gott erhalte den Rohbau.“ Denn der war in Ordnung. Die architektonische Ausführung ist es nicht: „Zu viel gewollt und nicht gekonnt, von der handwerklichen Ausführung gar nicht zu reden.“

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