Kultur Südpfalz Für Frackträger und Rockfans

Neues ausprobieren, Genre-Grenzen überschreiten, mit „artfremden“ Musikern zusammenarbeiten, das sind die Ideen, die hinter einem ungewöhnlichen Konzertprojekt stehen, das die Bläserphilharmonie Deutsche Weinstraße am 17. Januar im Neustadter Saalbau in Angriff nimmt. Das Auswahlorchester der regionalen Blasmusikvereine wird dann zusammen mit dem Landauer Rock-Projekt „Die dicken Kinder“ das „Concerto for Group and Orchestra“ von Jon Lord aufführen.

Es dürfte also ungewöhnlich rockig zugehen bei diesem Konzert, mit dem die Bläserphilharmonie die 2011 begründete Tradition der großen Januar-Konzerte im Saalbau fortsetzt, denn Jon Lord ist der Musiker, der seinerzeit mit seinem virtuosen Spiel an der Hammond-Orgel den Sound der britischen Band „Deep Purple“ wesentlich mitbestimmte. Uraufgeführt wurde das gemeinsam mit dem Bandkollegen Ian Gillan geschriebene „Concerto“ 1969 vom Royal Philharmonic Orchestra und „Deep Purple“ in der Londoner Royal Albert Hall. In einer Zeit, in der „klassische“ Musiker und vor allem Musikhörer noch sehr von oben herab auf diese jungen, langhaarigen, bunten Vögel schauten (auf dem Youtube-Film dieser Aufführung kann man wild tanzende Rockfans und konsterniert blickende Frackträger bestaunen), waren dies erste Versuche, Brücken zu schlagen zwischen Klassik und Rock, durchaus zu beiderseitigem Nutzen: Die Klassik verlor etwas Staub, und der Rock wurde endlich auch als Musik ernst genommen und nicht nur als Lebensstil, der nach verbreiteter Vorstellung vor allem auf der Einnahme verbotener chemischer Substanzen gründete. „Oft denkt man bei Blasmusik ja ausschließlich an Musik im Bierzelt. Wir wollen sinfonische Blasmusik mache mit Spielern, denen der heimischen Musikverein allein noch nicht genug ist und die gerne mal was ausprobieren“, so Thomas Kuhn, musikalischer Leiter der Bläserphilharmonie. Das Auswahlorchester besteht aus rund 80 Musikern, von denen etwa die Hälfte aus dem Einzugsgebiet des Musikverbands Deutsche Weinstraße kommt und der Rest aus der Nachbarschaft. Auf das „Concerto“, eigentlich für die Besetzung Rockband und Sinfonieorchester komponiert, stießen sie, weil der Niederländer Jos van de Braak unlängst eine Fassung für Bläser gefertigt hat. Das ursprüngliche „Concerto“ erlebte nach der Uraufführung 1970 nur noch eine weitere Aufführung in den USA mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, danach gingen die Partituren verloren. Eine rekonstruierte Fassung erklang erstmals 1999 in London. Eine Studio-Aufnahme mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra entstand 2012. Jon Lord arbeitete daran bis kurz vor seinem Tod. Er starb im selben Jahr an Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Durch diese Studio-Aufnahme und durch die Bläserversion hat das ,Concerto’ wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen“, erklärt Thomas Kuhn. Als man sich für dieses Werk entschieden hatte, habe man dann auch gleich bei den „Dicken Kindern“ angefragt. „Wir wollten für den Rock-Part Profis haben, die viel Erfahrung im Zusammenspiel haben“, sagt der Dirigent. Die Bläser proben schon seit November, am Sonntag stoßen in Annweiler nun erstmals die Rockmusiker dazu. Auch für die „Dicken Kinder“, so Kuhn, sei dieses Stück eine neue Erfahrung. Das Band-Projekt wird mit Sänger Sascha Kleinophorst, Gitarrist Sebastian Wittmann, Bassist Norbert Christ, Bastian Rössler an der Orgel und Dominik Steinbacher am Schlagzeug dabei sein. „Das Stück selbst ist aufgebaut wie ein sinfonisches Werk mit mehreren Sätzen, und Dramatik entwickelt sich aus der Konkurrenz zwischen Gruppe und Orchester. Dieses Gegeneinander wird besonders im ersten Satz ausgespielt, bis die beiden Seiten dann zueinander finden“, erläutert Thomas Kuhn. Zum Auftakt des Konzerts ist außerdem noch die Komposition „Flashing Winds“ von Jan van der Roost zu hören.

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