Rheinpfalz „Es trifft die Falschen“

Seit drei Wochen streiken kommunale Kindertagesstätten in der Südwestpfalz, ein Ende ist trotz anstehender Gespräche zwischen der Gewerkschaft Verdi und den Arbeitgebern nicht in Sicht. Noch tragen Eltern dies mit, doch der Unmut wächst. Dass die Stimmung kippt, bekommen die Ortsbürgermeister mit, etwa in Waldfischbach-Burgalben und Heltersberg, wo Kitas seit 12. Mai unbefristet streiken. Doch auch Erzieher sitzen zum Teil zwischen den Stühlen: zwischen ihrem Recht auf Streik und ihrer sozialen Verantwortung. Notgruppen sollen daher helfen, Härten zu mildern.

Beim Heltersberger Ortsbürgermeister Ralf Mohrhardt saßen zuletzt über 20 Leute in der Sprechstunde. Vor allem berufstätige Eltern, die bald nicht mehr wissen, wie sie den Alltag noch organisieren sollen. Urlaub geht außerplanmäßig dahin, wird im Sommer fehlen; auch manche Großeltern stehen nur begrenzt zur Verfügung, weil sie selbst arbeiten oder einfach nicht wochenlang Kinder hüten wollen; Tagesmütter reißen ungeplante Löcher in die Haushaltskasse; Arbeitgeber werden ungehalten. Noch gebe es Verständnis bei den Eltern, stellt Mohrhardt fest, aber „irgendwie kippt das jetzt auch“. Die Waldfischbacher Ortsbürgermeisterin Anna Silvia Henne hat das schon zu spüren bekommen: Eine Großmutter hat sie gerade übel angeschrien am Telefon. Auch wenn solcher Ton nicht sein muss: In der Sache kann die Ortsbürgermeisterin die genervten Eltern verstehen. „Es trifft die Falschen“, stellt sie fest. Der Druck, der hier aufgebaut werde, strafe die Eltern. Zumal die Forderung der Gewerkschaft aus ihrer Sicht nicht realistisch ist – eine Neu-Eingruppierung, die eine Entgelt-Erhöhung von rund zehn Prozent zur Folge habe, sei für kommunale Arbeitgeber nicht leistbar, meint sie. Dies bringe auch das Lohngefüge in der kommunalen Gemeinschaft durcheinander. Andererseits kann die Ortsbürgermeisterin auch ihre Erzieherinnen verstehen. „Ich verstehe, dass die so ungehalten sind“, meint sie, „weil sie schon länger vertröstet werden“. Da sei einfach zu lange nichts verändert worden. Das sieht auch Michael Hammer als Hauptgrund dafür an, weswegen Erzieher, in der Mehrheit Frauen, nun so konsequent streiken – mit ungebrochenem Streikwillen. Der Leiter der Kita Heltersberg – mit 185 Plätzen und 33 Mitarbeitern die größte Einrichtung im Kreis – hat Respekt davor, dass die Erzieherinnen jetzt den Mut hätten, sich zu wehren, was übrigens auch das erste Mal sei, dass Frauen in einen Erzwingungsstreik gingen. Denn über Jahre habe sich vieles angestaut. Anforderungen seien gestiegen, vor allem durch die Aufnahme immer jüngerer Kinder, der Rahmen sei jedoch geblieben. Angefangen beim ewigen Thema Personalschlüssel bis hin zu Ungerechtigkeiten im Entgeltsystem – beispielsweise dieser, dass eine Erzieherin auch nach langjähriger Tätigkeit deutlich herabgestuft werde, sobald sie den Arbeitgeber wechsle. All dies mache den Beruf wenig attraktiv – angesichts eines Fachkräftemangels gefährlich. Und dass es andere gebe, die weniger verdienten, sei ja kein Grund, ruhig zu sein. Wenn sie jetzt den Streik beendeten, werde sich gar nichts mehr bewegen, meint Hammer. Aber auch an Erzieherinnen und Erziehern geht der Streik nicht spurlos vorüber. Denn natürlich wissen sie um die Probleme der Eltern. Die Befindlichkeiten seien nicht gut, sagt Hammer – „weil sie wissen, dass es die Falschen trifft“. Auch er persönlich sei „im Zwiespalt“. Streiken sei ihr Recht. „Aber wir sind auch nicht stur, sondern schauen, dass der Schaden begrenzt wird.“ Deswegen hat er gemeinsam mit Ortsbürgermeister Mohrhardt eine – noch nicht gefüllte – Notgruppe für bis zu 25 Kinder ab drei Jahre eingerichtet; für jüngere Kinder sei es schwierig, sagt er, weil diese stärker eine feste Bezugsperson benötigten. Betreut wird die Gruppe von drei Erzieherinnen, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind. Mit dem Elternausschuss werde eng zusammengearbeitet, die Grundschule helfe bei Hortkindern aus, sagt Hammer – unverhältnismäßige Härten für Kinder und Eltern wollen sie in Heltersberg vermeiden. Darum bemühen sich auch in Waldfischbach-Burgalben Erzieherinnen und Ortsbürgermeisterin. Obwohl dort alle Erzieherinnen gewerkschaftlich organisiert sind, haben sie sich – nach Absprache mit Verdi – rasch bereiterklärt, abwechselnd eine Notgruppe zu betreuen. Bisher war diese vormittags geöffnet, ab nächster Woche soll bis 16 Uhr geöffnet sein, mit Mittagessen. Mit 14 Kindern wird geplant. Es gebe derzeit kein Kind in einem Dringlichkeitsfall, das nicht betreut werde, stellt Henne fest. Sollte der Streik weiter andauern, will sie auch Kita-Räume für betreuende Eltern öffnen. Wie lange der Streik dauern wird, ist unklar. Nur so viel ist sicher: Am Montag bleibt die Kita noch zu. (tre)

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