Kultur Südpfalz Ernste Themen in rockiger Musik

Carolin Fortenbacher als Diana und Elias Krischke als Geist ihres toten Sohnes Dan.
Carolin Fortenbacher als Diana und Elias Krischke als Geist ihres toten Sohnes Dan.

Das Musical „Fast normal“, das in der Festhalle Wörth gespielt wurde, hat wenig gemeinsam mit der sonst schillernden, fröhlich-bunten Welt des Genres. Ausgesprochen mutig, mit Feingefühl und berührender Offenheit schufen Komponist Tom Kitt und Autor Brian Yorkey ein Stück, das sich mit den schwierigen Themen Depression und bipolare Störung auseinander setzt.

Die zerstörerische Kraft dieser Krankheit drückt sich in rockigen Songs aus, kurze trügerische Phasen der Ruhe spiegeln sich in melancholischen Balladen wieder. In den ersten Minuten spielte sich auf der Bühne das turbulente, scheinbar normale Leben einer Familie mit zwei Teenagern ab. Der Sohn kommt frühmorgens von einer Party zurück, die Tochter nimmt die Schule lässig-leicht, der Ehemann geht wie jeden Tag arbeiten und das ganze Chaos wird von einer quirligen Hausfrau und Mutter zusammen gehalten. Und doch ist da ein unterschwelliges Gefühl, das signalisiert, dass das der ganze Trubel irgendwie falsch sein könnte. Spätestens, als Ehefrau Diana auf dem Fußboden Pausenbrote auf Vorrat schmiert und ihr Gatte Dan, nicht zum ersten Mal, auf einen Arztbesuch drängt, wird klar: durch diese Familie geht ein Riss, über der Idylle schwebt ein hartnäckiger Dämon. Die heile Welt ist nur ein instabiles Kartenhaus, die Fassade dieser netten Familie bröckelt. Die Wahrheit ist traurig, zerreißt die Familie. Ehefrau und Mutter Diana, genial gespielt von Musical-Star Carolin Fortenbacher, wurde wegen des nicht überwundenen Tod ihres ersten Kindes krank. Ihr Sohn Gab starb mit acht Monaten, Diana hat jedoch so starke Halluzinationen von ihm, dass er zwischen ihr und der später geborenen Tochter Natalie steht. Er verhindert durch seine geistige, und zumindest auf der Bühne reale, Dauerpräsenz wirkliche Nähe zwischen Tochter und Mutter, Diana wird durch ihren Wahn gelähmt, lebensunfähig. Der Strudel ihrer dunklen Gefühle zieht auch ihren Ehemann mit, der wohl von der Liebe zu seiner Frau und seiner Tochter angetrieben wird, seiner Frau helfen will, aber am Ende trotz vieler gut gemeinter Versuche scheitern wird. An der Seite von Carolin Fortenbacher stand als ihr Mann Robin Brosch, dessen seelische Leiden regelrecht greifbar waren. Wie traurig wirkte er, als er seine Frau zu immer wieder neuen Psychiatern begleitete, degradiert zum Mantel- und Handtaschenträger, der aus Liebe alles für seine Familie machen würde. Verzweifelt, rebellisch dagegen Alice Hanimyan als Tochter, die mit ihrem temperamentvollen Spiel und Gesang beeindruckte. Dramaturgisch hatten die Musical-Schreiber sie als junge Ausgabe ihrer Mutter, als Gegengewicht angelegt, ein Mensch an der Schwelle zum Erwachsenenwerden, der meist auf sich allein gestellt ist. Was für ein Glück, dass es ihren Schulfreund Henry (Jan Rogler) gab. Er begann mit Natalie gegen alle Widerstände eine Romanze. Sie überlebte trotz der Familien-Katastrophe und bot wenigstens ein „kleines“ Happy End. Trotz aller Dramatik und Ernsthaftigkeit gab es auch humorvolle Momente und skurrilen Witz. Tim Grobe verkörperte absolut treffend die Ärzte, die ihre Patientin manchmal wie ein Versuchskaninchen behandelten. Tabletten in allen Farben und Formen und sogar Elektrotherapie, trotz der Folgen schreckten sie vor nichts zurück. Einige Schlüsselszenen prägten sich besonders ein, wie Diana während der Hypnose und bei der Stromtherapie oder das gesangliche Duell zwischen Vater Dan und seinem toten Sohn (Elias Krischke als unschuldig in Weis gewandter Dämon), der nicht müde wurde zu wiederholen: „Ich lebe.“ Trotz aller Liebe und Fürsorge trennt sich Diana schließlich von ihrer lebenden Familie, um alleine den toten Sohn überwinden zu können. Die Akteure sangen fast den gesamten Text durch und wurden von der Live-Band der Hamburger Kammerspiele begleitet. Schade war jedoch, dass besonders bei den Duetten oder Terzetten der Text schwer zu verstehen war, die Band an diesen Stellen hätte leiser spielen sollen. Was es erleichtert hätte, dem Inhalt des preisgekrönten Musicals zu folgen.

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