Rheinpfalz Das Gespür der Winzer für die Marke Pfalz

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Rund 220 Millionen Liter Weinmost im Jahr, erzeugt von 3000 Betrieben – knapp die Hälfte im Haupterwerb – auf 23.500 Hektar Rebfläche, schätzungsweise 850 Millionen Euro Umsatz und gut 14.000 Mitarbeiter, die Hälfte davon Saisonkräfte, Riesling-Weltmarktführer. Das steht auf dem Etikett des Pfälzer Weinbaus. Heute sind wir unterwegs in der Region Südliche Weinstraße. Die hat bei Qualität und Image mächtig aufgeholt zur traditionsreichen Mittelhaardt.

Unsere Tour beginnt am Bahnhof des schmucken Weindorfs Edesheim. Solche Kleinodien sind heute dicht gesät an der Südlichen Weinstraße. Vor 30 bis 40 Jahren sah das noch anders aus. Mit den Weinen sind die Dörfer edel geworden. Wir gehen auf der Eisenbahnstraße ortseinwärts, überqueren die Staatsstraße und wenden uns entlang der Schlossparkmauer nach links vorbei an einem frühfränkischen Gräberfeld und am Haupteingang der Schloss-Festspiele Edesheim. Kurz danach biegen wir rechts ab in das Sträßchen Richtung Albersweiler/Hainfeld und Modenbachtal. Am Rathaus geht es nach rechts. Über den Parkplatz hinweg bietet sich ein toller Ausblick nach Norden aufs Hambacher Schloss. Links ab biegen wir ein in die Ludwigstraße. Südliche Weinstraße und Mittelhaardt: fast gleich groß, aber früher zwei grundverschiedene Weinwelten. Im Süden die Underdogs in teilweise tristen Dörfern, Produzenten von süßer Massenware im Grenzland zu Frankreich. Im Norden die – gelegentlich hochnäsigen – Qualitätstraditionalisten in noblen Weinvillen, Pfälzer Spitzengüter mit Weltruf seit Mitte des 19. Jahrhunderts, Lieferanten von Rieslingen für Kongresse, Weltausstellungen und zur Eröffnung des Suez-Kanals 1869. Heute sieht die Pfälzer Weinwelt völlig anders aus. Die einstige Schoppenweinschleuder hat eine schier unglaubliche Aufholjagd hingelegt. Die Qualitätsbesessenheit (heute teilweise nicht mehr ganz so) junger Winzer hat die Region auf Augenhöhe mit der Mittelhaardt gebracht. Alte Ressentiments sind verschwunden, vor allem in Winzerkreisen. Den Startschuss für die Aufholjagd gab Anfang der 1970er-Jahre der Gesetzgeber mit der Reform des Weinrechts. Damit wurden unter anderem Verschnitte über verschiedene Weinbauregionen hinweg verboten. Das war das Ende des damaligen Geschäftsmodells vieler Winzer der Südpfalz. Sie hatten Fassweine an Moselkellereien geliefert, die damit saure Moselweine süßten. Die Antwort auf die folgende Krise war die klare Qualitätsausrichtung. Winzerhöfe bieten verlockende Einblicke. In der Edesheimer Ludwigstraße liegt unter anderem das Weingut von Joachim Ruzika. Ende 2007 brachte der Einstieg seines Neffen Marc Klebba ins Geschäft neuen Schub. Die Anbaufläche wuchs durch Zukäufe von fünf auf jetzt knapp zehn Hektar. Das Ziel sind 15 bis 20 Hektar. Wenn Ruzika von seiner Heimat erzählt, vom Blick über die Rebfelder auf die Villa Ludwigshöhe, oder vom Ausblick von der Ludwigshöhe aus über die Rheinebene, dann schwingen Begeisterung und auch ein bisschen Stolz mit. Onkel Joachim und Neffe Marc stehen für den Pfälzer Winzer-Mittelstand: 86.000 Liter Wein im Jahr, je zur Hälfte als Flaschen- und als Fasswein vermarktet, rund 200.000 Euro Jahresumsatz. Ein Blick in die Preisliste: die Literflasche Riesling trocken zum Beispiel für 3,90 Euro oder in der 0,75-Liter-Flasche eine Chardonnay Spätlese trocken für 5,50 Euro und ein trockener Spätburgunder im Barrique gereift für 9,90 Euro. Die beiden wissen, dass sie gute Weine haben, die bei Landes- und Bundesweinprämierungen ausgezeichnet werden. „Aber wir müssen uns besser vermarkten“, sagt Ruzika. Mehr Präsenz auf Messen, Festen und großen Weinproben außerhalb der Pfalz sollen dabei helfen. Wichtig bleibe der persönliche Kontakt zu den Kunden. Und bei der Preisentwicklung sei darauf zu achten, dass die Stammkundschaft nicht verschreckt werde. Wir gehen die Ludwigstraße weiter auf ein Steinkreuz zu. Rechts von uns rauscht der Modenbach, den wir am Kreuz queren. Auf meist befestigten Wegen nehmen wir durch Rebfelder Kurs Richtung Norden auf Rhodt unter Rietburg. Der große Gebäudekomplex der Rietburg-Winzergenossenschaft, die sich 2011 mit der Moselland Genossenschaft in Bernkastel-Kues zusammengeschlossen hat, dient als Zielmarke. Wein und Tourismus gehen Hand in Hand. Wo guter Wein gemacht wird, da kann man auch gut essen und Urlaub machen. Die Südpfalz trägt dazu bei, dass die Pfalz zu einer der dynamischsten, attraktivsten und innovativsten Weinregionen Europas aufgestiegen ist. Und stärker als mancher Tourismus-Manager haben die Winzer die Marke Pfalz verinnerlicht – die Mittelhaardter und die Südlichen Weinsträßler. Die Marke Pfalz ist wesentlicher Teil ihres Geschäftsmodells. In deutschen Metropolen und erst recht im Ausland hat die Pfalz eine Chance, wahrgenommen zu werden. Die Differenzierung zwischen den Weinregionen Südliche Weinstraße und Mittelhaardt ist eine Feinheit, die in der Außenwahrnehmung erst einmal keine Rolle spielt. Während das Tourismusmarketing des Vereins Südliche Weinstraße als konzentriert und gut koordiniert erscheint, präsentieren sich traditionsreiche Weinorte der Mittelhaardt selbstbewusst, aber eher noch fragmentiert als gebündelt. „Die Außenwahrnehmung sieht immer die Pfalz. In Hamburg wird Pfalzwein gekauft“, bringt es der Riesling-Spezialist Steffen Christmann auf den Punkt. Seit 2007 ist er Präsident des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), dem die 200 deutschen Spitzenweingüter angehören. Davon sitzen neun an der Südlichen Weinstraße und 17 im Bereich Mittelhaardt. Bei der Qualitätsorientierung sieht er heute keinen Unterschied mehr zwischen den beiden Pfälzer Weinregionen. Landschaftlich betrachtet sei die Region im Süden ländlicher, der Haardtrand zerklüfteter, dadurch vielfältiger. Die Mittelhaardt sei durch die Massive der Kalmit und des Donnersbergs geschützter. Deshalb regne es dort weniger als in der Südpfalz, sagt Christmann, dessen Weingut in Gimmeldingen und somit in der Mittelhaardt liegt. In trockenen Jahren könne das durchaus auch ein Vorteil für den Südpfälzer Weinbau sein, meint Christmann. VDP-Kollege Hansjörg Rebholz aus dem südlichen Siebeldingen will das so nicht stehen lassen. Die Regenmengen könnten je nach Kleinregion sehr unterschiedlich sein. Im vergangenen Rebjahr habe es die Südpfalz allerdings mit schwierigeren klimatischen Verhältnissen zu tun gehabt, räumt er ein. Einig sind sich Rebholz und Christmann, was das Pfalzbewusstsein der Winzer betrifft. An der Genossenschaft geht es nach links in den Ort, angekommen auf der Weinstraße nach rechts und an der T-Kreuzung biegen wir auf die Theresienstraße ein, eine der schönsten Straßen der Pfalz. An einem Parkplatzschild auf der rechten Straßenseite geht es nach rechts auf dem „Candidusweg“ Richtung Norden. Durch Weinfelder wandern wir bis zur Villastraße. Nach rechts hinunter gehen wir nach Edenkoben bis zum Ziel, dem Bahnhof. Hansjörg Rebholz in Siebeldingen, Fritz Becker in Schweigen, Rainer Keßler in Landau-Godramstein, Thomas Siegrist in Leinsweiler und Karl-Heinz Wehrheim in Birkweiler: Im Juli 1991 haben sie mit dem Start ihres Projekts „Fünf Winzer – Fünf Freunde“ einen Meilenstein auf dem Qualitätsweg der Südpfalz gesetzt. Gemeinsam probieren, tüfteln, streiten, grillen, zu berühmten Kollegen reisen. Mit dieser Methode sind sie in der Weinwelt ganz oben angekommen. Alle fünf sind VDP-Mitglieder. Begeistert ist Rebholz vom Qualitätswettbewerb „Die junge Südpfalz – da wächst was nach“. Das Projekt steigere den Qualitätshunger der jungen Weinmacher der Region, sagt er.

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