Kultur Südpfalz Blick zurück mit Humor

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Was für ein Jahr, was für Themen: von Griechenland bis Pegida, von Flüchtlingen bis Fifa – nichts als Dramen und Probleme. Da hilft nur eins: kräftig lachen. Auch wenn einem dabei die Haare zu Berge stehen. Urban Priol, Kabarettist mit aufrechter Haarpracht, hat die Landauer in der voll besetzten Festhalle mit seinen punktgenauen Anmerkungen zu Politik und Weltgeschehen zum Lachen und Nachdenken gebracht.

Geschlagene drei Stunden lang hat die satirische Ein-Mann-Show gedauert. Aber langweilig ist es sicher keinem Zuschauer geworden. Schon dem Mann zuzuschauen, wie er im geschmackvollen Herbstblütenhemd auf der Bühne hampelt, aufgedreht, genervt von den Absurditäten unserer Zeit, wie er sich von einer Sekunde auf die nächste in Volker Kauder, Jean-Claude Juncker und – natürlich – Angela Merkel verwandelt, das alles ist ein faszinierendes Spektakel. Urban Priol hüpft nicht nur auf der Bühne herum, er ist auch ein Meister des Themenhüpfens. Sein kabarettistischer Jahresrückblick schöpft aus der schieren Fülle des Geschehens. Dabei kriegen alle Akteure der politischen Bühne ihr Fett weg, zum Beispiel Thomas de Maizière („unser großer Innenminister-Versuch“), die beiden Päpste („Vier Fäuste für ein Halleluja“), Finanzminister Schäuble („verfolgt das Ziel der schwarzen Null so manisch wie Ahab den weißen Wal“) oder der türkische Präsident Erdogan („Döner-Putin“). Nur bei Angela Merkel, seit Jahren seine Lieblingszielscheibe, leidet Urban Priol zurzeit unter einer Sinnkrise – wegen deren Flüchtlingspolitik: „Zehn Jahre lang hab„ ich mich an diesem Führungsvakuum abgearbeitet, und jetzt muss ich – ich! – sie verteidigen; das ist hart am Borderline-Syndrom.“ Das Themenspektrum reicht vom Fifa-Skandal über russische Manöver im Ärmelkanal und die „Bundeswehr als kuscheliges Familienunternehmen“ bis zur Terrorangst an den Börsen. Im Jahresrückblick darf – schon fast vergessen – Griechenland nicht fehlen. Der Haare-hoch-Kabarettist macht sich gründlich lustig über die Stinkefinger-Affäre. Ex-Finanzminister Varoufakis („bei Talkshows der Tzaziki-Bosbach, nur halt in intelligent“) habe immerhin etwas Positives erreicht: dass Günter Jauch den Spaß an seiner Show verloren habe. „So hat uns Griechenland von diesem zerknautschten Hundeblick erlöst“. Extra für Landau, so kann man annehmen, hat Urban Priol einige Bemerkungen zur Pfalz eingebaut, und erntet die einzigen Buhrufe des Abends. Pfälzisch sei ja keine Sprache, sagt er. Aufregung im Saal. Der hektische Unterfranke fuchtelt heftig mit den Händen. „Nein, nein, nicht wie Sie meinen. Das ist mehr so ein Singen, so ruff und runnä…“ Besonders gut gefällt ihm der Allerweltsspruch „Alla gut“. Nur: „Ich hab’ das mal in Dresden gesagt, da haben die geschimpft: Was soll denn an Allah gut sein?“ Womit man mitten in der Flüchtlingsfrage gelandet ist und damit wahrhaftig bei ernsten Themen. Gar nicht witzig findet Priol, dass bei bisher gezählten 760 Übergriffen auf Flüchtlingsheimen fast alle Täter davonkommen: „Angeblich sind das alles Einzeltäter. Warum sind dann nicht 760 Leute in U-Haft?“ Die Polizei sei zu schwach besetzt um einzugreifen, wenn „der braune Mob tobt“? Nur eine paar Monate ist es her, erinnert der Kabarettist, dass beim Gipfel in Elmau 24.000 Polizisten, darunter sogar „Bergtaucher“, ein paar Politiker abgeschirmt haben. Ihn empört, dass der Familiennachzug bei syrischen Flüchtlingen ausgesetzt werden soll. Das sei „geschäftsmäßige Sterbehilfe“, und die habe man doch gerade im Bundestag mehrheitlich abgelehnt. Gut fände er hingegen, tatsächlich die Fluchtursachen zu bekämpfen. Zum Beispiel, indem man keine Waffen mehr an Diktaturen und in Krisengebiete liefert. Priol erinnert daran, wie oft in Deutschland Vertriebene integriert worden sind. „Wenn wir keine Einwanderer gehabt hätten, würden wir heute noch wie die Neandertaler im Düsseldorfer Becken hocken und seltsame Laute ausstoßen“, sagt er und stößt seltsame Laute aus. Nach drei Stunden hat Urban Priol genug. Sein Schlusswort: „2016 in seiner ganze Vielfalt wird sicher genauso bescheuert wie 2015 – machen wir das Beste draus.“ Vor dem aufbrausenden Beifall läuft er, „alla gut“ rufend, schnell davon. Er will als erster an der Theke sein und ein kühles Helles genießen. (rire)

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