Rheinpfalz Antiker Leib Christi

Begegnung im Städel: Der Torso vom Belvedere (Gipsabguss) trifft auf Rubens’ „Auferstandenen Christus“ (1615).
Begegnung im Städel: Der Torso vom Belvedere (Gipsabguss) trifft auf Rubens’ »Auferstandenen Christus« (1615).

LEO-Kunsttipp: Peter Paul Rubens in Frankfurt.

Hier der berühmte Torso vom Belvedere (nicht im Original, aber immerhin als qualitätvolle Gipskopie), dort Rubens’ „Auferstandener und triumphierender Christus“. Hier antike, zum Rumpf verstümmelte Muskelpracht, dort barock schwellende Körperlichkeit: Die Parallelen zwischen hellenistischer und christlicher Athletenphysis sind offensichtlich, zusätzlich belegen zwei Rötelzeichnungen des flämischen Malers, dass Rubens den Torso vom Belvedere nicht nur kannte, sondern eingehend studierte. Und das imposante Figurenfragment, das ins 1. Jahrhundert vor Christus datiert wird, war, wie man in der Rubens-Schau des Frankfurter Städelmuseums lernt, bei weitem nicht die einzige antike Skulptur, von der sich Rubens inspirieren ließ: Der muskelgepanzerte Leib eines von Cupido geneckten und gebändigten Kentauren lieferte ihm das Vorbild für eine ungemein diesseitig-sinnliche Darstellung des gemarterten Jesus. Im expressiven Christus-Antlitz einer „Grablegung“ scheint sich das schmerzverzerrte, von Verzweiflung und Todeskampf gezeichnete Gesicht des „Laokoon“ zu spiegeln. Und eine kauernde, im dritten vorchristlichen Jahrhundert geschaffene Venus, die Rubens als römische Marmorkopie zur Kenntnis nahm, verwandelte der 1577 geborene, 1640 gestorbene und dazwischen international tätige Barockmaler mal in eine fröstelnde, mal in eine um den schönen Adonis trauernde Liebesgöttin. Verwandlung ist das zentrale Stichwort dieser mit hochkarätigen Leihgaben aus aller Welt bestückten Ausstellung. Mit philologischer Akribie, dabei aber durchaus anschaulich wird anhand von etwa 100 Werken gezeigt, welche antiken Bildhauerwerke auf Rubens Malerei einwirkten und wie sich der Flame mit unmittelbaren Vorgängern, mit Renaissance-Titanen wie Michelangelo oder Tizian, künstlerisch auseinandersetzte. Sehr gelehrt ist das Ganze freilich schon, und daher kann ein vorbereitender Blick in Gustav Schwabs Sagen des klassischen Altertums nicht schaden. Aber auch ohne Doktorgrad in antiker Mythologie und Kunstgeschichte gewinnt man aus der Schau zwei nicht unwesentliche Erkenntnisse: Erstens, dass Rubens’ üppig schwellende Leiber und die Kunst des Frühbarock in viel stärkerem Maße „antikisch“ sind, als man gemeinhin denkt. Und zweitens, dass man in einer Zeit, die weder Leihbibliotheken noch das Internet kannte, bereits hervorragend vernetzt und umfassend informiert sein konnte. Faszinierend.


INFO

»Rubens: Kraft der Verwandlung« – bis 21.5., Frankfurt/Main, Städel-Museum, Schaumainkai 63, geöffnet: Di, Mi, Sa, So 10-18 Uhr, Do, Fr 10-21 Uhr; Katalog: 39,90 Euro (im Museum); Info: 069 605098200.

Auf Tizian verweisend: „Venus und Cupido“ aus dem Museo Thyssen-Bornemisza.
Auf Tizian verweisend: »Venus und Cupido« aus dem Museo Thyssen-Bornemisza.
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