Rheinpfalz Angeklagter krank am Bodensee

Und das Ganze noch einmal von vorne, bitte: Eigentlich hatte die Vorsitzende Richterin am Landgericht Kaiserslautern vorsichtig-optimistisch damit gerechnet, das Verfahren zum Urteilsspruch bringen zu können. Doch daraus wurde gestern nichts. Denn der Angeklagte glänzte krankheitsbedingt durch Abwesenheit. Nun muss der „Litauen-Pflege-Prozess“ neu aufgerollt werden.

Der 52-Jährige darf sich in fünf Wochen noch einmal genau anhören, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft: Zur Last gelegt werden dem Mann, der mit seiner Firma in Zweibrücken und im Landkreis Südwestpfalz tätig war, vor allem zwei Straftatbestände: Steuerhinterziehung und Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen (wir berichteten). Der vorbestrafte Mann hatte Hilfskräfte aus Litauen in südwestpfälzische Haushalte entsandt, in denen pflegebedürftige Menschen lebten. Obwohl er mit den Osteuropäerinnen Arbeitsverträge abgeschlossen habe, seien keine Sozialversicherungsbeiträge geflossen und die Lohnsteuer verkürzt worden, so die wesentlichen Anklage-Vorwürfe. Den Schaden, der dabei dem Steuerzahler entstanden sei, beziffert die Staatsanwaltschaft auf mehr als 900.000 Euro. Gestern sollten zum dritten Prozesstag noch Zeugen vernommen werden. Die Richterin am Amtsgericht Kaiserslautern war davon ausgegangen, dass das Verfahren zu einem Abschluss kommen könnte. Allenfalls weitere Beweisanträge hätten dazu führen können, dass ein weiterer Verhandlungstag notwendig geworden wäre. Gestern aber wurden alle Pläne durchkreuzt: Der Angeklagte liegt leidend in einem Bett am „schönen Bodensee“, wie der 52-jährige seine Wahlheimat im Prozess nannte. Ins Justizzentrum war ein ärztliches Attest geflattert, das dem Mann sogar eine Anreise-Unfähigkeit bescheinigte. Mithin sei er schon gar nicht verhandlungsfähig. Der krankheitsbedingte Komplett-Ausfall von Verfahrenstag drei aber hat weitreichende Folgen: Statt die Hauptverhandlung zu unterbrechen und zum nächsten Termin fortzusetzen – wie das bei mehrere Verhandlungstage umfassenden Prozessen geschieht –, musste die Richterin das Verfahren aussetzen. Will heißen: Die Hauptverhandlung muss neu eröffnet werden, es geht noch mal ganz von vorn los, der Staatsanwalt darf dann noch einmal die umfangreiche, mit reichlich Zahlen gespickte Anklageschrift vortragen. Der Grund dafür findet sich in der Strafprozessordnung: Bei Gerichtsverhandlungen sind Fristen einzuhalten. So darf eine Hauptverhandlung in der Regel nicht für länger als drei Wochen unterbrochen sein. Kann sie binnen der drei Wochen nicht fortgesetzt werden, muss das Verfahren ausgesetzt und ein neuer Termin bestimmt werden. Urlaub und Abwesenheit verschiedener Verfahrensbeteiligter sowie die Herbstferien hätten es unmöglich gemacht, einen Fortsetzungstermin innerhalb der Drei-Wochen-Frist zu finden, informierte die Strafrichterin auf Anfrage. Zwar wird der Prozess neu aufgerollt, so ganz zurück auf null gedreht wird allerdings nicht. Die Richterin rechnet damit, die Sache beim neuerlichen Anlauf zügiger über die Bühne bekommen zu können. So einiges sei ja mittlerweile bekannt, der Klärungsbedarf nicht mehr so hoch. Auch dürfte damit zu rechnen sein, dass es nicht mehr zu zeitaufwendigen „Rechtsgesprächen“ kommt. An beiden Verhandlungstagen hatten sich Verteidiger, Richterin, Schöffen und Staatsanwalt hinter verschlossene Türen zurückgezogen. Zu einer Verständigung, die sich auf einen Abschluss des Verfahrens hätte auswirken können, war es nicht gekommen. Der Angeklagte hatte zur Sache bislang nur rudimentäre Ausführungen gemacht. Zumindest habe er nicht vorsätzlich gehandelt, sondern habe vielmehr die Empfehlung eines Mitarbeiters der Arbeitsverwaltung beherzigt, er solle „so weitermachen“. Der Mann von der Arbeitsagentur, der dies geraten haben soll, war bislang noch nicht als Zeuge gehört worden. Das Verfahren wird am 19. November um 9.30 Uhr neu beginnen. (cha)

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