Rheinland-Pfalz „Wird noch viel Zeit vergehen“

TRIER. Nicht berühren – so heißt es bei vielen Ausstellungsstücken in den deutschen Museen. Und damit sind Blinde automatisch vom Kunstgenuss ausgeschlossen. Das muss nicht so bleiben, meinen die Studenten des Fachs Intermedia Design an der Hochschule Trier. Gemeinsam mit dem städtischen Museum Simeonstift haben sie sich zehn Exponate vorgenommen und für Blinde zugänglich gemacht. Klaus Greichgauer hat mit Christopher Ledwig von der Hochschule und Alexandra Orth vom städtischen Museum über das Pilotprojekt gesprochen.

Frau Orth, wie oft kommen Blinde zu Ihnen ins Museum?

Wir haben zweimal im Jahr eine spezielle Führung für Blinde. Da kommen dann so zehn bis zwölf Leute, oft sind es dieselben. Sonst kommen leider keine Blinden ins Museum. Helfen da Audioguides nicht weiter ? Nein. Die sind ja auf Leute zugeschnitten, die sehen können und liefern deswegen nur Zusatzinformationen. Einem Blinden hilft es aber nichts, wenn er historische Hintergründe zu einem Bild hört, das er gar nicht sieht. Herr Ledwig, solche Audioguides für Blinde müssten doch machbar sein? Nicht nur für Blinde, auch für Menschen, die noch fünf oder zehn Prozent Sehfähigkeit haben. Man muss auch unterscheiden zwischen Leuten, die von Geburt an blind sind und solchen, die erst später ihr Augenlicht verloren haben. Letzteren kann man ein Gemälde anders schildern als jemandem, der nie Farben gesehen hat. Wie sind Sie vorgegangen, um Exponate Blinden zugänglich zu machen? Wir haben unseren Studenten die Augen verbunden und sie über ebene Flächen mit Erhebungen und Vertiefungen tasten lassen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wie sich ein Blinder zurechtfinden muss. Und wie schwierig es ist, nur mit dem Tastsinn zum Beispiel Entfernungen abzuschätzen. Dann sind wir durchs Museum gegangen mit der Absicht, alles aufzunehmen und ein ertastbares Modell zu erstellen. Dann haben wir aber gemerkt, dass das viel zu ehrgeizig ist. Jetzt haben wir uns erst einmal auf ein Modell des Trebeta-Saals beschränkt, wo Skulpturen, Gemälde und kostbare Gegenstände wie etwa ein vergoldeter Becher aus der Zeit Napoleons ausgestellt sind. Wie sieht das Modell aus? Ein länglicher weißer Kasten mit knallroten Formen und Figuren, die Standorte von Vitrinen oder Exponaten markieren. Die Farbkontraste sind wichtig für Menschen, die noch einen Rest Sehvermögen haben. Wer vollständig blind ist, kann die Abstände zwischen den Standorten ertasten und sich so ein Bild vom Ausstellungsraum machen. Skulpturen können Blinde ganz gut ertasten. Aber wie ist das mit Bildern? Von denen erstellen wir Quellkopien. Das heißt: Wir machen zum Beispiel vom Gemälde des Kurfürsten Balduin eine Schwarz-Weiß-Kopie. Die wird dann aufgeschäumt, so dass sich ein Relief ergibt, das der blinde Besucher abtasten kann. Damit bekommt er zumindest eine Vorstellung davon, wie das Bild ungefähr aufgebaut ist. Was ist mit Gegenständen, die man nicht berühren darf ? Davon müssen wir Kopien anfertigen, die man betasten kann. Am einfachsten geht das mit einem Silikonabdruck, aus dem ein Wachsabdruck wird, der wiederum als Grundlage für einen Bronzeguss dient. Das ist kein allzu aufwendiges Verfahren. Trotzdem kostet es Zeit und auch Geld. Im Fall des vergoldeten Bechers wären das schätzungsweise 1000 Euro. Arbeiten Sie auch mit Tönen? Ja. Wir haben ein ertastbares Bild von der Mosel erstellt, dazu gibt es ein Begleitaudio mit Flussgeräuschen. Frau Orth, was passiert jetzt? Im Sommer sollen jetzt erst mal die Ideen der Studenten für die ersten zehn Exponate umgesetzt werden. Im Prinzip kann man für fast jedes Ausstellungsstück eine Lösung finden. Aber der Aufwand wäre natürlich enorm. Bis ein Großteil der Museen so ausgestattet ist, dass sich auch für Blinde ein Besuch lohnt, wird noch viel Zeit vergehen. Aber wir haben hier in Trier einen Anfang gemacht.

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