Rheinland-Pfalz Von wegen Glück auf

SAARBRÜCKEN. Im Juni 2012 verließ die letzte, über 250 Jahre geförderte, Steinkohle das Saarland. 60 verbliebene Bergmänner versehen eine wichtige Aufgabe an der Saar: Mit riesigen, untertägig arbeitenden Pumpen und einem Kostenaufwand von rund 17 Millionen Euro im Jahr regulieren sie das natürliche Volllaufen von Abbaustrecken und Schächten mit dem sogenannten Grubenwasser. 2035 soll das Pumpen enden. Ein Datum, dem man an der Saar mit Sorgen entgegenblickt.

Nicht nur Umweltschützer stellen zur Flutung der Gruben kritische Fragen: Könnte es sein, dass in den 90er Jahren bis 2004 in ausgeräumten Abbaustrecken, genehmigt eingelagerte Stoffe wie Asbestzement, Flugasche aus Kohlekraftwerken und Gießereisande, allesamt umweltgefährdend, mit dem Wasser an die Oberfläche gespült werden? Könnte dieser Dreck von gestern eine Gefahr für die bisher durch natürliche Tonschichten gut abgeschotteten Trinkwassergewinnungsgebiete im Saarland bergen? Die Grünen, die das Thema vergangene Woche auf die Tagesordnung des Landtags setzen ließen, treibt vor allem ein Stoff um: PCB, Polychlorierte Biphenyle. Seit den 1960er Jahre wurde PCB-haltiges Hydrauliköl in den Schilden und Fördermaschinen unter Tage eingesetzt – bis zum Verbot 1983, mehr oder weniger unwissend über die Krebs verursachende Wirkung der Chlorverbindungen. Das Bergbauunternehmen RAG geht davon aus, dass rund 1500 Tonnen PCB-haltige Hydrauliköle in den Saar-Bergwerken eingesetzt wurden. Was weder RAG noch saarländisches Umweltministerium wissen: Wie viel wurde mit Maschinen wieder an die Oberfläche gebracht und entsorgt? Wie viel verblieb, etwa weil Leitungen undicht waren, im Berg? „Es gab damals keine Dokumentationspflicht für PCB“, erklärt ein RAG-Sprecher die Unwissenheit. Inzwischen gab die RAG eine pessimistische Schätzung ab, wonach 80 bis 90 Prozent der 1500 Tonnen PCB-haltiger Öle damals Untertage verloren gegangen sind könnten. Möglicherweise kam ein Großteil davon, über abgebaute Kohle verspritzt, längst wieder an die Oberfläche und ist in Kraftwerken verbrannt. Gefahren für das Trinkwasser schließt die RAG wie auch das saarländische Umweltministerium aus. Das über die so genannte Wasserhaltung an noch fünf Stellen abgepumpte, und über Zuflüsse in die Saar abgeleitete Grubenwasser, habe an den staatlichen Messstellen nirgendwo Auffälligkeiten einer PCB-Belastung erkennen lassen. „Ich betone: Das saarländische Trinkwasser ist sicher. Alle andere Behauptungen sind unbegründete Panikmache. Eine irgendwie geartete Gefährdung wird die Landesregierung nicht zulassen“, wiederholte Umweltminister Reinhold Jost (SPD) bei der Landtagsdebatte seine Position. Die RAG hält auch eine künftige Gefährdung, nach einem für 2035 geplanten Ende der maschinellen Wasserförderung, für ausgeschlossen. PCB sei nicht wasserlöslich. Was heißt, dass – wenn der Spiegel des Grubenwassers steigt – sich der Krebs auslösende Stoff durch sein spezifisches Gewicht absetzen würde. Zurzeit sei durch die bergmännische Wasserhaltung auf einem Niveau von schwankend 600 Metern unter Oberflächenniveau gewährleistet, dass Grubenwasser nicht mit Trink- und Grundwasser in Kontakt komme. Ein Viertel der Fläche des Saarlandes ist vom Bergbau unterhöhlt. 17 bis 20 Millionen Kubikmeter Grubenwasser – letztlich Niederschlag, der in die teils in einer Tiefe von 1700 Metern verlaufenden Stollen durchsickerte – müssen Jahr für Jahr gepumpt werden, um ein unkontrolliertes Volllaufen der Bergwerke zu verhindern. Unterirdische Veränderungen können noch immer Grubenbeben auslösen. Zuletzt zitterte im September die Erde bei Saarwellingen. Ein Beben im Jahr 2008 hatte zur vorzeitigen Aufgabe des Saarbergbaus geführt, damals waren unter anderem Fassadenteile von der Saarwellinger Kirche St. Blasius gestürzt. Die RAG will durch ein geschicktes Bahnen der unterirdischen Wasserwege über Verbindungsstollen bis zum Jahr 2035 alle Pumpstationen überflüssig machen. Alles Grubenwasser soll über den Barbarastollen bei Saarlouis-Ensdorf in die Saar abgeleitet werden. Die Landesregierung hat, so Umweltminister Jost, unabhängige Gutachter beauftragt, das Konzept auf seine Machbarkeit und Umweltverträglichkeit hin zu überprüfen. Umweltverbände und der Landesverband Bergbaubetroffener verfolgen schon jetzt jeden Schritt, jede Äußerung kritisch. Umweltminister Reinhold Jost verspricht eine absolute Transparenz der Abläufe. Die Landesregierung werde der RAG nichts genehmigen, was irgendeine Gefährdung nicht ausschließe. Nach dem so genannten Vertrag über die Ewigkeitslasten des Bergbaus ist die RAG-Stiftung verpflichtet, Folgekosten des Bergbaus zu finanzieren. Wie der Name schon sagt, auf ewig. Der Haken dabei: Sollte die Stiftung irgendwann zahlungsunfähig werden, fallen die Kosten auf die Steinkohlebergbau-Länder Nordrhein-Westfalen und das Saarland zurück. Ein teureres Erbe der Industriegeschichte an Saar und Ruhr.

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