Rheinland-Pfalz Risiko ist nicht kalkulierbar

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MAINZ. Die Tüten versprechen „eine chillige Auszeit“ und „unglaublichen Sex“, doch oft endet der Tag für die Konsumenten im Krankenhaus: Kräutermischungen, angereichert mit synthetischen Drogen, sind vor allem bei Jugendlichen beliebt. Doch sie unterschätzen die Gefahren, die von den Kräutern ausgehen.

Die Landesregierung würde die Mischungen am liebsten verbieten – rechtliche Bedenken stehen dem im Weg. Das Landeskriminalamt (LKA) in Mainz nennt die Kräutermischungen das zurzeit „spannendste Phänomen auf dem Drogenmarkt“. Als Legal Highs werden die Stoffe fälschlicherweise bezeichnet, „legale Drogen“ – ein Begriff, der die meist jugendlichen Konsumenten in die Irre führt, verschleiert er doch den gefährlichen Inhalt der Tütchen: getrocknete Kräuter, angereichert mit synthetische Drogen in unbekannter Dosierung. Übelkeit und Erbrechen zählen noch zu den harmloseren Nebenwirkungen des Konsums, in schlimmen Fällen sind Herz- und Kreislaufattacken die Folge. Die Kräuter werden beispielsweise als Cannabisersatz geraucht.Von außen deutet nichts auf den gefährlichen Inhalt der Tüten hin – die bunten Etiketten und die Werbung der Händler versprechen den Konsumenten einen „legalen Rausch“ und „völlige Euphorie“. Was in den Packungen wirklich drin ist, steht nirgends. „Perfide“ nannte das Alexander Schweitzer (SPD) in der vergangenen Woche im Sozialausschuss des Landtags, wo er noch als Sozialminister auftrat. Anfang des Monats musste ein Pärchen aus Pirmasens nach dem Konsum einer Kräutermischung ins Krankenhaus. Vergangene Woche lag ein 16-Jähriger aus dem Landkreis Mayen-Koblenz zeitweise im Koma, nachdem er mit einem Freund Legal Highs konsumiert hatte. Fälle wie diese häufen sich. Rund 25 Jugendliche wurden laut LKA in Rheinland-Pfalz in diesem Jahr nach dem Konsum von Kräutermischungen in Kliniken behandelt – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Denn nicht immer melden Krankenhäuser Fälle, und viele Jugendliche, die nach dem Konsum behandelt werden, geben nicht zu, was sie genommen haben, sagt das LKA. Den Tod eines Mannes, der in diesem Jahr nach vier Wochen im Koma gestorben war, führt das Kriminalamt auf den Konsum einer Kräutermischung zurück. Vor allem im Raum Trier häufen sich in den vergangenen Monaten die Fälle Jugendlicher, die nach dem Konsum von Legal Highs in Krankenhäuser müssen. Das Polizeipräsidium Trier reagiert: Es arbeitet an einem Präventionskonzept; Workshops in Schulen sind geplant. Die Landesregierung sähe Legal Highs „aus Gründen des Verbraucherschutzes“ am liebsten verboten. Rechtliche Bedenken stünden aber im Weg, sagte Schweitzer. Die Regierung setzt deshalb auf Aufklärung nach dem Trierer Vorbild. Auch das Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen plant ein Präventionskonzept und will mit Schulen zusammenarbeiten. Zielgruppe der Händler sind meist Jugendliche. „Auffallend viele Konsumenten sind männlich und verfügen im Durchschnitt über eine vergleichsweise hohe Schulbildung“, antwortete die Bundesregierung im September auf eine Anfrage der Linken. Neugierde, Rausch und Legalität gaben Konsumenten bei einer Umfrage des Gesundheitsministeriums als häufigste Motivation an. Laut Schweitzer haben die Kräutermischungen Marihuana und Haschisch beim Einstieg in den Drogenmissbrauch abgelöst. Rund 30 Euro kostet eine ein bis drei Gramm leichte Tüte. Wie viel Wirkstoff in den einzelnen Packungen ist, ist unterschiedlich, sagt das LKA: Die Drogensubstanzen können im Herstellungsverfahren nicht gleichmäßig auf die Kräuter verteilt werden. Die Folge: Während ein Jugendlicher nach dem Konsum einer Tüte fast keinen Rausch spürt, landet sein Freund wegen einer Überdosis im Krankenhaus. Das Risiko ist unkalkulierbar. Vertrieben werden die Mischungen über Internetshops. Die Händler sitzen in den Niederlanden, in Belgien, Rumänien und Tschechien. Der Wirkstoff kommt meist aus China. 25 Prozent der Substanzen, die das LKA auf ihre Inhaltsstoffe hin untersucht, sind Kräutermischungen, 2000 bis 3000 Päckchen jährlich. Tendenz steigend.

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