Rheinland-Pfalz Radeln mit eingebautem Rückenwind

Die Pfalz. (Fast) unendliche Weiten, Ebenen, Berge, Wasser, Wiesen. Und viel Wald. Die RHEINPFALZ hat sich wieder auf den Weg gemacht. Kreuz und quer durch die Pfalz. In unserer Sommerserie berichten Redaktionsmitglieder, was sie bei der „Tour de Pfalz 2014“ erlebt haben. Heute schildert Jürgen Müller seine persönliche Pedelec-Premiere, die ihn in die Nordpfalz führte.

Radfahren kann so schön sein. Vor allem, wenn es bergab geht. Doch zum Abfahrtsvergnügen gehört der kräftezehrende Aufstieg. Das gilt erst recht für die Nordpfalz, wo viele „Buckel“ die reizvolle Landschaft zieren. Gelegenheits-Fahrern sind solche „Bergprüfungen“ ein Gräuel. Warum also nicht mal ein Elektrofahrrad testen? Dafür hat die Pfalz eine gute Infrastruktur zu bieten: Man kann solche Vehikel vielerorts mieten und auf längeren Touren unterwegs kostenlos aufladen. Verbreitet sind Elektrofahrräder vom Typ Pedelec. Bei ihnen hilft der Elektromotor erst, wenn in die Pedale getreten wird. Muskelkraft und Motor verbinden sich zu einer Art Hybridantrieb. Wird ein Tempo von 25 Stundenkilometern erreicht, macht der kleine Helfer Pause. Ich habe mir eine rund 49 Kilometer lange Tour mit Start und Ziel in Lauterecken vorgenommen. Dort verleiht das Fachgeschäft „Der Radgeber“ Pedelecs. Inhaberin Bärbel Kessinger erklärt geduldig die Funktionsweise, achtet auf die richtige Höhe des Sattels und nimmt sich trotz wartender Kunden Zeit, um meine Fragen zu beantworten. Solchermaßen vorbereitet, geht es aus dem Radgeber-Hof rechts ab in die Hauptstraße. Direkt hinter der Glan-Brücke (Radwegweiser Richtung Kusel/Wolfstein) fahre ich nach rechts die Straße hinunter. 250 Meter weiter (Radwegweiser Kusel/Wiesweiler) geht es rechts unter der Bahnstrecke hindurch. Dem Glan-Blies-Radweg folge ich nun bis St. Julian/Gumbsweiler. Freundlich grüßen die vielen entgegenkommenden Radler, die an diesem Donnerstagvormittag schon unterwegs sind. Hinter Wiesweiler verläuft die Route parallel zur beliebten Draisinenstrecke, die Altenglan im Südwesten mit Staudernheim im Nordosten verbindet. Weiter führt die Tour durchs Glantal, bis bei St. Julian das Bahnwärterhäuschen mit der Nummer 3012 erreicht ist. Hier biege ich vom Glan-Blies-Radweg links nach Gumbsweiler ab, um der Straße nach Welchweiler zu folgen. War die Strecke bisher weitgehend flach, so geht es nun langsam, aber sicher bergauf. Ich schalte fleißig die Gänge, rufe beim Motor die höchste Leistungsstufe ab: „Pedelec – gib alles!“ Trotzdem werden die Beine immer schwerer und die Erkenntnis bricht sich Bahn: „Trete muschd halt trotzdem.“ Schließlich wird der Anstieg so heftig, dass ich mal testen möchte, ob sich so ein Pedelec auch schieben lässt. Und tatsächlich, das geht hervorragend. Vor Welchweiler zweigt rechts die Straße nach Altenglan ab (das Schild „Sperrung Ortsdurchfahrt Bedesbach/K 55“ betrifft meine Route nicht). Nach einer steilen S-Kurve wird eine Hochebene erreicht. Bei den drei Windrädern ist die Passhöhe geschafft. Entschädigt wird der nach Luft schnappende Radler mit einem Rundblick und einer Abfahrt nach Bedesbach (dort die Draisinenstrecke überqueren und vor der Glanbrücke links in den Weg am Glan entlang einbiegen). Wer auf diese Erfahrung verzichten möchte, bleibt bei St. Julian auf dem flachen Glan-Blies-Weg und erreicht Altenglan über Ulmet. In Altenglan weisen die Schilder „Bahnhof“ und „Draisine“ den Weg. Beim alten Bahnhof befinden sich die Draisinen-Ausleihstation, das Bistro „Gleis 3“ und eine rote Säule mit vier Anschlüssen für die Pedelec-Stromer. Bereitwillig wird mir am Bistro die abgeschlossene Ladestation aufgetan. Während der Akku Strom „tankt“, genieße ich Wurstsalat und reichlich Apfelsaftschorle. Danach geht es über die Bahnhofstraße zurück. An der Straßengabelung wende ich mich nach rechts Richtung Kaiserslautern, um über die Friedelhauser Straße nach Bosenbach zu fahren. Hier, im stillen Tal des Reichenbachs, wechseln sich Wald und Wiesen ab. Es ist früher Nachmittag, ein Reh mustert mit großen Augen den einsamen Radler. Zwischen Friedelhausen und Bosenbach thront am Hang die in einem Friedhof gelegene Wolfskirche. Im Gewölbe des Turms haben Malereien aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Jahrhunderte überdauert. Zu erkennen sind fromme Christus-Darstellungen, aber auch eine seltsame Fratze. Mit deren Darstellung sollte nach Ansicht von Fachleuten vermutlich Unheil abgewendet werden. Waren doch die bösen Geister in den Bau eingebunden und dadurch gebannt. Mein eingebauter Rückenwind und ich haben uns inzwischen aufeinander eingespielt. Ohne große Mühe wird Rothselberg erreicht. Nach einer munteren Abfahrt geht es in der Dorfmitte nach links in die Eßweilerstraße (Richtung Offenbach-Hundheim). Etwa ein Kilometer nördlich von Eßweiler lädt an einer scharfen Straßenkurve die von Büschen und Bäumen verdeckte Ruine des einstigen Raubritternestes Sprengelburg zum Besuch. In ihrer Nähe sollen Wanderer urplötzlich von einer großen Last niedergedrückt werden. Der Sage nach lässt sich ein buckeliges Männchen heimlich huckepack mitnehmen. Doch das kann mich nicht schrecken: Das Männchen soll sich nur von Reisenden schleppen lassen, die von Oberweiler im Tal aufsteigen. Dann geht es zurück ins Glantal. Dort sollte ein Abstecher nach Offenbach nicht versäumt werden. In dem Dorf sind zahlreiche Kulturdenkmäler zu bewundern, allen voran die eindrucksvolle Abteikirche und das gegenüber liegende Schaffnerhaus. In der Hauptstraße 62/63 blieb das Prangergebäude erhalten. Unter dem Erker erinnert ein eiserner Halsring an das Schicksal der Sünder. Nach dem Rundgang kehre ich zurück zum Glan-Blies-Radweg und zum Ausgangspunkt Lauterecken. Das Aha-Erlebnis folgt am nächsten Tag: Obwohl ich seit einem Jahr keine längere Fahrradtour mehr unternommen habe, macht sich kein Muskelkater bemerkbar. Der kleine Pedelec-Elektromotor hat also ganz offensichtlich gute Dienste geleistet.

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