Rheinland-Pfalz Poker mit James-Bond-Skeletten

SAARBRÜCKEN (adi). Beim ersten Pokerspieler liegen die Nerven blank, beim zweiten die tiefsten Muskeln, und beim dritten kann man bei offenem Rücken die Wirbelsäule sehen. Damit nicht genug, stecken sich zwei der Hautab-Modelle von Günther von Hagens per Fuß eine Karte unterm Tisch zu. Die bizarre Pokerrunde ist der Clou der Schau „Körperwelten“, die heute in Saarbrückens Congresshalle öffnet.

Sie war schon in einem Kinofilm zu sehen: im James-Bond-Abenteuer „Casino Royale“ von 2006 (aufgenommen in einer „Körperwelten“-Ausstellung in Prag, das als Miami ausgegeben wurde). Meistens steht jedes Plastinat, wie Günther von Hagens seine Ganzkörperpräparate nennt, für sich, manchmal sind sie auch zu zweit wie das Eistanz-Paar mit klassischer Hebefigur oder die Fußballer, die sich beim Kopfball verausgaben. Drei Plastinate zusammen ist schon etwas Besonderes. Nicht nur, weil bei jedem etwas anderes freigelegt ist. Während der eine seine Raucherlunge nicht verbergen kann, und aggressiv die Zähne zeigt, haben die anderen beiden einen Teil des Gesichtsgewebes behalten. Und die Augen. Die Augen sind das Wichtigste. Sie sorgen dafür, dass man die anatomisch Entkleideten dann doch als Menschen wahrnimmt. Sicher, man weiß, dass es sich um tote Menschen handelt, die Hagens ihren Körper gespendet haben, aber beim Gang durch die Ausstellung denkt man eigentlich nicht mehr daran. Da sind sie Teil einer Inszenierung, einer Biologiestunde. Horrorfilme wie „Das Kettensägenmassaker“ sind schlimmer, denn da sieht man auch viel Blut. Hier gibt es nur ein blutrotes Skelett, das für ein bisschen Grusel sorgt: Überall hat es diese rot-flockigen Innereien, im Bauch, an den Beinen. Der ganze Kopf – diesmal ohne Augen – ist damit übersät. Das muss auch so sein, es sind die Adern. Neben den großen Modellen informieren Tafeln darüber, was zu sehen ist, und erklären alles so, dass es jeder versteht, auch wenn man nicht Medizin studiert oder den Bio-Unterricht verdrängt hat. Unter der dicken Überschrift „Kampf den freien Radikalen“ und dem Foto eines hübschen, aber alten, verrosteten Autos erfährt man Schlimmes: „Jeder Atemzug lässt uns altern, denn einige Sauerstoffmoleküle zerfallen in freie Radikale, die uns von innen heraus rosten lassen.“ Wir rosten? Jenseits der Ganzkörpermodelle lauern die wahren Schocks, denn die Infotafeln nebst kleinen Filmen und Animationen zeigen, wo und wie wir überall altern. Alzheimer, Knochenverschleiß, Muskelschwund, nichts wird ausgelassen. Neben kompletten Körpern sind auch viele einzelne Arme, Beine, Gehirne und Organe plastiniert. Manche sind überraschend ästhetisch schön, andere erschreckend, allein schon wegen der graubraunbeige morbiden Farbe. Die Erkundungstour ist nichts für schwache Gemüter, man muss schon gewillt sein, nackten Wahrheiten ins Auge zu sehen, vor allem dem eigenen Alterungsprozess. Vor allem Männer, denn die meisten Ganzkörper-Plastinate sind Männer. Die dann aus Schreck oder Vernunft mit dem Rauchen aufhören oder sich anders ernähren. Da hofft Ausstellungsmacherin Angelina Whalley, Ärztin und Ehefrau Günther von Hagens, nicht nur. Sie weiß auch, dass es passiert, das hätten Umfragen unter den Besuchern ein halbes Jahr nach dem Ausstellungsbesuch gezeigt. Ausstellung „Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“, Saarbrücken, Congresshalle, bis 13. September, Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 19 Uhr, Eintritt: 17 Euro, Late-Night-Begleitprogramme, www. koerperwelten.de/saarbruecken.

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