Extremismus "Kalifatsstaat": Rheinland-pfälzischer Moscheeverein im Zentrum der Ermittlungen
Bei einer Razzia in sechs Bundesländern gegen Mitglieder der verbotenen islamistischen Vereinigung „Kalifatsstaat“ sind am Dienstag drei Männer festgenommen worden. Im Mittelpunkt der Razzia stand laut Polizei ein Moscheeverein im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach. Es gebe den dringenden Verdacht, dass innerhalb des Vereins in Predigten und durch den Verkauf von Schriften und sonstigen Propagandamitteln die Ideologie des „Kalifatsstaats“ verbreitet und die Organisationsstruktur der Vereinigung aufrechterhalten werden, teilte das Landeskriminalamt mit.
Beim „Kalifatsstaat“, der von dem in Istanbul lebenden Metin Kaplan geführt wird, handelt es sich um eine islamistische Vereinigung. Deren Ziel ist den Ermittlern zufolge die Errichtung eines islamischen Staates unter Ablehnung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze auf der Grundlage des Korans als Verfassung und der Scharia als allein geltenden Rechts.
Sohn des "Kalifatstaat"-Anführers unter den Festgenommenen
Einer der drei Festgenommenen soll der Sohn des 2004 in die Türkei abgeschobenen Anführers der Organisation, Metin Kaplan, sein, teilte das federführende Landeskriminalamt am Dienstag in Mainz mit. Den drei Männern wird der Verstoß gegen das Vereinigungsverbot vorgeworfen. Insgesamt wurden bis zum Mittag 50 Objekte in Deutschland durchsucht, jeweils 13 in Rheinland-Pfalz und Hessen, sowie 10 in Baden-Württemberg, 9 in Niedersachsen, 3 in Nordrhein-Westfalen und 2 in Bayern. Die Polizisten stellten Schusswaffen, Hieb- und Stichwaffen wie etwa Messer und Säbel sowie zahlreiche Datenspeicher und Hunderttausende Euro sicher.
Zwei der Festgenommenen sind Männer im Alter von 49 und 62 Jahren aus dem Raum Bad Kreuznach, der andere ist ein 44-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen - den Ermittlern zufolge der Sohn von Metin Kaplan. Die Beschuldigten sollen auch Spenden gesammelt haben, mit denen der Lebensunterhalt Kaplans und die Aufrechterhaltung der Strukturen der Vereinigung finanziert worden seien, berichtete das LKA in Mainz.
Monatelange Ermittlungen
Die Razzia ging den Angaben zufolge auf Hinweise des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes und monatelange Ermittlungen zurück. Einsatzleiter Hans Kästner berichtete, die Beschuldigten seien zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Die Verdächtigen seien „sehr konspirativ“ vorgegangen, teilte der Koblenzer Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer mit.
Nach Angaben von Oberstaatsanwältin Kristina Speicher war es für die Ermittler sehr schwer, in die Strukturen der Organisation vorzudringen, da die mutmaßlichen Mitglieder zumeist „verwandt, verschwägert oder enge Freunde“ gewesen seien. Auch online seien sie sehr zurückhaltend gewesen.
Rund 90 "Kalifatsstaat"-Anhänger in RLP
Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz rechnet dem „Kalifatsstaat“ in dem Bundesland rund 90 Anhänger und Mitglieder zu, wie eine Sprecherin des Innenministeriums sagte. Bundesweit seien es laut dem Verfassungsschutzbericht 2021 rund 700.
Den Beschuldigten der unter den Namen „Tiger“ geführten Ermittlungen wird vorgeworfen, als Rädelsführer den organisatorischen Zusammenhalt der unanfechtbar verbotenen Vereinigung „Kalifatsstaat“ aufrechterhalten, sich als Mitglied daran beteiligt oder als Nichtmitglied Propagandamittel dieser Vereinigung verbreitet zu haben.
In Rheinland-Pfalz gab es nach Behördenangaben 13 Durchsuchungsaktionen. Zehn Beschuldigte kommen aus der Region Bad Kreuznach. Eine Durchsuchung richtete sich gegen einen Schlachtbetrieb in Bingen, in dem Fleisch für den Verkauf in dem moscheeeigenen Laden beschafft worden sein soll.
Erst im April hatten Hinweise des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes zu Durchsuchungen bei Mitgliedern der Chatgruppe „Vereinte Patrioten“ geführt. Sie sollen die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), einen bundesweiten Stromausfall und den Sturz des demokratischen Systems in Deutschland geplant haben.