Rheinland-Pfalz Im Dienst seiner Partei

In die Öffentlichkeit drängt es Hendrik Hering in den vergangenen Wochen nicht. Seit seinem Rücktritt als Chef der SPD-Fraktion beobachtet er das politische Geschehen im Mainzer Landtag aus der zweiten Reihe. Gespräche mit Journalisten führt er bevorzugt „unter Drei“. Das heißt, nur das soll berichtet werden, was gezielt freigegeben wurde. Wie es ihm geht? „Den Umständen entsprechend“, sagt Hering und lächelt sachte.

MAINZ. Die Umstände, das sind die Ereignisse rund um den 12. November, als Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ihr halbes Kabinett austauschte und Hering für Alexander Schweitzer den Platz an der Fraktionsspitze räumte. Während die geschassten Minister keinen Hehl daraus machen, dass sie nach Dreyers Aufforderung zum Rücktritt keine Wahl hatten, legt Hering Wert darauf, dass er gemeinsam mit Dreyer entschieden habe. Er stellte sich in den Dienst von Partei und Regierungschefin. Mit der Fraktion im Rücken hätte er ihre Macht wohl auf die Probe stellen können. Als Chef der größeren Regierungsfraktion war Hering immer in wichtige Entscheidungen eingebunden. Seine scharfsinnige politische Analyse, sein strategisches Denken wird nicht nur von Genossen geschätzt. Selbst den Wechsel von Ministerpräsident Kurt Beck zu Malu Dreyer Anfang 2013 hat er mit eingefädelt. Hering selbst galt ebenso wie der heutige SPD-Parteichef Roger Lewentz einst als Kronprinz, doch beide waren belastet mit dem Nürburgring. Für Beck war der Anwalt aus Hachenburg im Westerwald, der mit 25 Jahren schon Bürgermeister wurde, ein wichtiger Vertrauter. Im April wurde Hering 50 Jahre alt und konnte auf eine Karriere zurückblicken, die ihn 1996 in den Landtag führte. Fünf Jahre später wurde er Umwelt-, danach Innenstaatssekretär und 2006 der erste sozialdemokratische Wirtschaftsminister im Land. 2011 setzte er sich gegen Jochen Hartloff als Fraktionschef durch. Und jetzt? Als Hering am Abend des 4. November neben Roger Lewentz vor laufenden Kameras seinen Rücktritt ankündigte, war ihm anzusehen, wie schwer ihm dieser Schritt fiel und wie viel schwerer die Begründung: Wegen des Nürburgrings habe die Regierung mit wichtigen Themen nicht mehr durchdringen können. Wie in den Monaten vorher wirkte seine Sprache beim Thema Nürburgring verkrampft, bisweilen entpersonalisiert. In einer Sitzung des Infrastrukturausschusses, in der Hering als Fraktionschef sein früheres Verhalten als Minister rechtfertigen sollte, mied er das Pronomen „ich“. Er sprach von „meiner Person“. In Landtagssitzungen fiel der Spannungsbogen, den CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner gekonnt aufgebaut hatte, rapide ab, sobald Hering mit seiner Rede begann. Das rhetorische Format, das er sich als Wirtschaftsminister hart erarbeitet hatte, war wie ausgelöscht. Damals sprach er von einer guten Zukunft des Nürburgrings. Ihn und den ebenfalls zurückgetretenen Finanzminister Carsten Kühl hatte Beck mit dem „Zukunftskonzept“ für die Rennstrecke beauftragt, nachdem die Privatfinanzierung gescheitert, der Beton aber schon verbaut war. Drei Jahre und eine Landtagswahl später folgte die Insolvenz. Nach Ansicht des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs hätte die Regierung erkennen müssen, dass eine Rettung mit rechtlich einwandfreien Mitteln nicht möglich war. Eine Feststellung, der der SPD-geführte Teil der Landesregierung bis heute vehement widerspricht. Seit die Staatsanwaltschaft Koblenz im Dezember erklärte, warum sie im Zusammenhang mit dem Nürburgring nicht gegen Kühl und Hering ermittelt, fühlen sich beide in ihrer Kritik am Rechnungshof bestätigt. Sieht Hering eigene politische Fehler am Nürburgring? Er bleibt dabei, aus damaliger Sicht alles richtig gemacht zu haben. Beim SPD-Parteitag nach der Regierungsumbildung bewarb er sich erneut als stellvertretender Parteichef. Die Delegierten bestätigten ihn mit 82,3 Prozent – wie vor zwei Jahren. Damals war es das beste Ergebnis aller Stellvertreter, diesmal übertrafen ihn Finanzministerin Doris Ahnen und Alexander Schweitzer. Hering bleibt aber Vorsitzender der Programmkommission, die sich um das SPD-Wahlprogramm für 2016 kümmert. Er werde erneut für ein Landtagsmandat antreten, sagt Hering. Weitere Einblicke in seine Pläne lässt der Marathonläufer und dreifache Vater nicht zu. Er spreche nun häufiger mit Menschen, denen ähnliches widerfahren sei, sagt er. Entschieden ist bisher wohl nicht einmal, ob er seine Zukunft in der Politik oder außerhalb sieht.

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