Rheinland-Pfalz Herxheimer Hitlerglocke wird begutachtet

Als Hitlerglocke bekannt geworden: Aus dem Jahr 1934 stammt das Geläut in der protestantischen Kirche Herxheim, das wegen seiner
Als Hitlerglocke bekannt geworden: Aus dem Jahr 1934 stammt das Geläut in der protestantischen Kirche Herxheim, das wegen seiner Aufschrift seit Mai in den Schlagzeilen ist und kontrovers diskutiert wird.

Gemeinderat lässt Denkmalwürdigkeit des umstrittenen Geläuts mit Nazi-Aufschrift überprüfen

«Herxheim am Berg.» Der Gemeinderat von Herxheim am Berg (Kreis Bad Dürkheim) hat gestern Abend einstimmig beschlossen, ein Gutachten über die Denkmalwürdigkeit der sogenannten Hitlerglocke aus dem Jahr 1934 bei der Glockensachverständigen Birgit Müller in Auftrag zu geben. Über die Anbringung einer Hinweistafel auf das Geläut mit der Inschrift „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ soll zunächst lediglich beraten werden, auch wenn Bürgermeister Ronald Becker der Auffassung ist, dass diese Tafel letztlich kommen wird. Eine Distanzierung des Gemeinderats von den Verbrechen der Nationalsozialisten stand am Anfang der Abstimmung über das weitere Vorgehen in Sachen Hitlerglocke, das mehr als ein Dutzend Medienvertreter aus ganz Deutschland im Dorfgemeinschaftshaus verfolgten. Gerne hätte Ortsbürgermeister Ronald Becker auch einen verbindlichen Beschluss darüber gefasst, dass eine Gedenktafel mit dem Hinweis auf die Geschichte der Glocken in der Nähe der Kirche angebracht wird. Den ursprünglichen Text musste er jedoch vor der Sitzung noch ändern, denn einigen konnte man sich in den Fraktionen nach Aussage Beckers letztlich nur darauf, dass weiter mit dem Presbyterium der Kirchengemeinde über eine Gedenktafel beraten werde. „Weiter war kein Konsens zu erzielen“, sagte Becker nach der Sitzung. Für diese Tafel hat Becker nach eigener Aussage sogar bereits einen bisher unbekannten Spender aus dem Ort gewinnen können. Mehr Einhelligkeit besteht in dem Ansinnen, das Gutachten über die Denkmalwürdigkeit der Glocke in Auftrag zu geben, das die Evangelische Kirche der Pfalz bezahlen will. In zwei bis drei Monaten soll es nach dem Dafürhalten Beckers vorliegen und den rechtlichen Rahmen dafür vorgeben, was mit der Glocke überhaupt geschehen kann. Kernfrage: Dürfte sie überhaupt abgehängt werden? Diese Forderung steht zumindest im Raum. Die RHEINPFALZ hat Anfang Mai erstmals über die sogenannte Hitler-Glocke berichtet. Der Anlass bestand seinerzeit in der Debatte um den Umgang mit Wehrmachtsandenken bei der Bundeswehr. Parallel zur Recherche, die sich neben der Glocke auch mit Hakenkreuzen im Gemäuer der 1000 Jahre alten Kirche beschäftigte, meldete sich damals eine Bürgerin aus Weisenheim am Berg in der Redaktion, die forderte, dass die Glocke sofort abgeschaltet werden müsse. Sie war zuvor sporadisch als Organistin in der Kirche tätig gewesen und erst jetzt sei ihr „bewusst geworden, was da läutet“, sagte sie damals. „So etwas muss gewusst werden“, hielt sie denjenigen entgegen, die die Aufschrift auf dem Geläut im wahrsten Sinne des Wortes nicht an die große Glocke hängen wollten. Im Dorf sei das bekannt, sagten damals hingegen der protestantische Pfarrer Helmut Meinhardt und Bürgermeister Ronald Becker. Ortshistoriker Eric Hass verwies auf eine Dokumentationsausstellung zur Nazizeit im Jahr 2005, von der die Öffentlichkeit aber offenbar nur bedingt Notiz genommen hat. Die Glocke habe also schon früher Erwähnung gefunden, so Hass. Mit der Veröffentlichung durch die RHEINPFALZ war das Thema in der Welt. Von Radio Sputnik bis zur BBC, vom SWR bis zu Stern TV haben sich Dutzende Fernsehanstalten sowie Print- und Onlinemedien in Herxheim am Berg gemeldet. Inzwischen ist man genervt von der Presse und fürchtet um den Ruf des Örtchens. Der Bürgermeister will nun bis zur nächsten Ratssitzung zu der Glocke schweigen, kündigte er gestern an. Er stehe zu dem, was er in der Vergangenheit gesagt habe, betonte er. Herxheim stehe hinter der Glocke und der Inschrift. Gleichzeitig räumte er ein, nicht immer optimal kommuniziert zu haben. Die 240 Kilo wiegende Bronzeglocke war vor 83 Jahren als Polizeiglocke in die Kirche gekommen, deren Turm der Ortsgemeinde gehört. Sie sollte bei Feuer- und später bei Fliegeralarm warnen. Zwei größere Glocken wurden 1942, als alles verfügbare Material für den Zweiten Weltkrieg gebraucht wurde, eingeschmolzen. Erst 1951 wurden wieder zwei zusätzliche Glocken installiert, mit denen das Streitobjekt seither einen Dreiklang bildet.

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