Rheinland-Pfalz Die Hinterfrager

Ingelheim am Rhein (seed). 55 Kinder und Schülerteams kämpfen seit gestern um den Landestitel der Juniorensparte von „Jugend forscht“. Bei dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim werden heute in sieben Kategorien die zehn- bis 14-jährigen Sieger gekürt.

„Konrad Adenauer hat die Sojawurst erfunden. Beim Schauen des Horrorfilms ,The Shining’ verbraucht man 184 Kalorien. Mit einem einzigen Bleistift kann man einen 56 Kilometer langen Strich ziehen.“ Was diese Aussagen gemeinsam haben? Sie alle finden sich in Büchern mit dem Titel „Unnützes Wissen“. Paul Keppel (12) und Felix Schmitt (11) saßen vor einer Weile im Klassenraum in der Integrierten Gesamtschule in Kandel und blätterten in einem der Bücher. Zuerst hatten sie ihren Spaß, irgendwann fragten sie sich, ob das überhaupt alles stimmen kann. Vor allem an dem Satz mit dem 56-Kilometer-Strich blieben sie hängen. „Das hängt doch vom Bleistift ab“, sagt Paul. Zusammen mit Felix und vielen anderen Kindern kam er gestern in ein riesiges Zelt vor der Zentrale von Boehringer Ingelheim. Hinter den beiden Freunden stand ein Fahrradreifen auf dem Tisch, das Papier einer Kassenrolle war darum gewickelt, ein Gewicht drückte von oben einen Bleistift darauf. Jeweils 200 mal haben die Jungs das Rad mit vier verschiedenen Bleistiftarten gedreht und die Zahlen dann hochgerechnet. Das Ergebnis? „Mit manchen Bleistiften kann man einen fast 600-Kilometer-Strich ziehen, mit anderen ist er nur 20 Kilometer lang“, sagt Paul. Es komme vor allem auf die Härte des Stifts an. „Der Satz aus dem Buch ist also Quatsch.“ Demnächst wollen die Freunde das dem Verlag in einer E-Mail erklären. Auch Anna Müller (14) vom Helmholtz-Gymnasium in Zweibrücken hat eine Behauptung hinterfragt, die andere Menschen in ihrem Heimatort Contwig schon seit Jahrhunderten einfach hinnehmen. Ein Freund ihrer Großmutter erzählte ihr, dass der sogenannte „Michelsbrunnen“, eine Quelle am Waldrand bei Contwig, eine Heilsquelle sei. Bei einer Recherche fand Anna sogar Zeitungsartikel aus dem 19. Jahrhundert, die von dem Mythos berichteten: „Damals gab es einen richtigen Hype, Leute sind extra für die Quelle angereist“, sagt Anna. Sie untersuchte nicht einfach das Wasser, im Wald machte sie sich auf die Suche nach dem Ursprung der Quelle. Sie fand heraus, dass das Wasser tatsächlich schon ein Stück weiter oben zwischen zwei konventionell bewirtschafteten Feldern aus dem Boden tritt, dann in einem kleinen Bach Richtung „Michelsbrunnen“ fließt, kurz davor in der Erde versickert und dann aus der vermeintlichen Heilsquelle sprudelt. „Richtiges Quellwasser ist das also nicht“, sagt Anna. Tatsächlich sollte man die Flüssigkeit nicht mal trinken: Anna fand darin Colibakterien, die im menschlichen und tierischen Darm vorkommen. „Wahrscheinlich von dem Dünger auf dem Feld.“ Ob sie dem Freund ihrer Oma davon erzählt hat? „Nein, der hat jetzt 85 Jahre dran geglaubt, das will ich ihm nicht nehmen“, sagt sie und grinst. Die Stars des gestrigen Tages standen ein paar Meter weiter, immer mehr Kinder strömten zu dem Stand von Lara-Marie Wittmer (13) und Nina Doland (12) vom Gymnasium Maxdorf. Das lag allerdings weniger an ihrem Forschungsergebnis, als an den Gästen, die sie dabei hatten: Auf Ninas Hand saß ein Gecko, eine zweite Echse kauerte im Terrarium. Die Forschungsfrage lautete: „Kann jeder Gecko über Kopf laufen?“ Das Ergebnis: Der Streifengecko kann es, er hat nämlich Haftlamellen an den Füßen, mit denen er sich an Wänden festsaugen kann. Der Leopardgecko allerdings, der vor allem in Wüsten lebt, hat Krallen an den Zehen. Über Kopf kann er damit nicht laufen – auch dieser Mythos wäre hiermit widerlegt. Den meisten Kindern in Ingelheim war das relativ egal. Hauptsache, die Echse krabbelte über jede Hand, die ihr am Stand entgegengestreckt wurde.

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