Rheinland-Pfalz Bundesgartenschau am Rhein: Aufwertung fürs Tal oder nur fauler Zauber?

Das Mittelrheintal vom Loreleyfelsen aus gesehen mit Blick auf St. Goarshausen.
Das Mittelrheintal vom Loreleyfelsen aus gesehen mit Blick auf St. Goarshausen.

Genau ein halbes Jahrzehnt alt ist die Idee, das teils angestaubte Obere Mittelrheintal mit einer Bundesgartenschau erblühen zu lassen. Die Verantwortlichen sehen sich trotz Corona im Zeitplan. Das Tal mit viel Rheinromantik leidet unter Bahnlärm und Leerständen.

Elektro-Wassertaxis mit Tragflügeln, Badeschiffe und schwimmende Blumenhallen auf dem Rhein: Rainer Zeimentz hat viele Visionen für die Bundesgartenschau (Buga) 2029 im Welterbe Oberes Mittelrheintal. Die Corona-Pandemie könnte mit der Angst vor Auslandsreisen auch den Inlandstourismus in diesem besonders romantischen Flusstal beflügeln, sagt der Chef der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz. Am Samstag (30. Mai) ist es genau fünf Jahre her, dass der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) seine Idee für eine Buga zwischen dem rheinland-pfälzischen Koblenz und dem hessischen Rüdesheim erstmals öffentlich präsentiert hat. Wie weit sind die Planungen?

Licht und Schatten

Der berühmte Flussabschnitt lockt Besucher mit bewaldeten Bergen, Fachwerkhäuser-Idylle und der wohl höchsten Burgendichte der Welt – zugleich leidet er unter Bahnlärm, teils veraltetem Tourismus und Bevölkerungsschwund. Der 2002 ergatterte Welterbetitel hat diese Entwicklungen nicht aufhalten können. Nun setzen Politiker ihre Hoffnungen auf die Buga 2029.

Lewentz spricht von einem „Megaereignis“ und einem Konjunkturprogramm, das mit Investitionen von 108 Millionen Euro „viele, viele weitere Millionen Euro auslöst“. Auch Hessens Buga-Beauftragter Joachim-Eberhard Maltzahn erklärt: „Von unseren Landesgartenschauen wissen wir, dass sie umfangreiche zusätzliche Investitionen von Unternehmen und Privatpersonen auslösen, insgesamt auch in die Region ausstrahlen und nicht zuletzt die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt stärken.“

Corona-Krise noch ohne Auswirkungen auf den Planungsstand

Lewentz und Zeimentz sehen die Planungen in dem 67 Kilometer langen Flussabschnitt im Zeitplan. Noch seien es neun Jahre bis zur Buga mit erwarteten 1,8 Millionen Besuchen, da spiele die Corona-Krise mit ihren Einschränkungen vorerst keine große Rolle. Seit 2017 gibt es eine Machbarkeitsstudie, seit 2018 grünes Licht von der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft und seit 2019 die BUGA Oberes Mittelrheintal 2029 GmbH. Das Loreley-Felsplateau, weltbekannter Hotspot des Tagestourismus im Herzen des Welterbegebiets, ist bereits naturnäher umgestaltet worden – mehrere Gebäude, ein Parkplatz und eine Straße sind hier hoch über dem Rhein verschwunden.

Lewentz betont: „Das Geheimnis der Bundesgartenschau 2029 ist nicht nur das eigentliche Veranstaltungsjahr, sondern der Weg dahin.“ Überall im Oberen Mittelrheintal seien bereits Buga-2029-Fahnen zu sehen. „Die Leute freuen sich jetzt schon“, versichert der Minister, der selbst im künftigen Buga-Gebiet wohnt, in Kamp-Bornhofen.

Die Werbung läuft schon

Etwas stromaufwärts sieht die Leiterin der Jugendherberge Kaub, Adriane Wilczok, in der Blumenschau „eine Bereicherung für alle. Wir verteilen schon Frisbees mit dem Buga-Logo an Familien.“ Auch die Kauber Schneiderin Traudl Betz liebt zwar Blumenschmuck, stuft aber eine Buga für „die alteingesessenen Einwohner“ als „nicht so wichtig“ ein. „Ich kann mir auch nicht richtig vorstellen, wie das funktionieren soll. Das ganze Rheintal als ein Blumenkorso?“

Bei der Buga 2015 auf fast 80 Kilometern entlang der Havel hat es laut der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz statt 1,5 Millionen nur rund eine Million Gäste und „einen wirtschaftlichen Misserfolg“ gegeben – wegen Defiziten bei der Verkehrsanbindung, der Beherbergung von Besuchern und beim Marketingetat. Das Obere Mittelrheintal ist dagegen Zeimentz zufolge touristisch bekannter und besser erschlossen – wenngleich die seit Jahrzehnten diskutierte Mittelrheinbrücke wohl auch 2029 noch nicht St. Goar und St. Goarshausen verbinden werde. Zwischen Koblenz und Mainz gibt es bislang keine einzige Rheinbrücke.

Wo die Buga aufblühen soll

Die Buga 2029 soll das Mittelrheintal laut der Entwicklungsagentur auf vier Ebenen bespielen: „auf dem Fluss, im Tal, an den Hängen und auf den Höhenzügen“. Uferabschnitte, Ortskerne und Burggärten sollen verschönert, der öffentliche Nahverkehr verstärkt und attraktive Veranstaltungen organisiert werden. Lewentz warnt dabei vor einer Käseglocken-Politik, die nur Burgen, Stadtmauern und Fachwerkhäuser konserviert. Wichtig sei ebenso modernste Technik. Auch Hessens Buga-Beauftragter Maltzahn hofft, dass die Blumenschau die „Digitalisierung des ländlichen Raums vorantreiben wird“.

Das Dauerproblem: der Bahnlärm

Und der Bahnlärm, der teils veraltete Tourismus und der Bevölkerungsschwund? Lewentz gibt mit Blick auf das Jahr 2029 zu: „Wir werden wahrscheinlich in allen drei Punkten noch kämpfen.“ Doch es tue sich etwas. Der Lärm von Europas meistbefahrener Güterzugstrecke zwischen Genua und Rotterdam durch das Rheintal sei wegen der schrittweisen Einführung von Flüsterbremsen schon spürbar zurückgegangen – aber die Bahn müsse „weiter daran arbeiten“.

Mit Blick auf neue Hotels und Renovierungen großer Gastronomiebetriebe spricht Zeimentz von derzeit „deutlich mehr als zehn Investitionsprojekten“ im Welterbegebiet. So könnten auch neue Jobs entstehen und Abwanderungen junger Anwohner gebremst werden. Der Entwicklungsagenturchef gibt sich optimistisch: „Corona zeigt, wie wichtig große Zukunftsprojekte auch in Deutschland sind.“

Trübt die Idylle: der Bahnlärm.
Trübt die Idylle: der Bahnlärm.
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