Rheinland-Pfalz Brettspiel aus dem Westerwald wird zum Verkaufsschlager

Ludwig Gerhards mit dem „Lass die Kirche im Dorf“-Spielbrett.
Ludwig Gerhards mit dem »Lass die Kirche im Dorf«-Spielbrett.

Interview: Ludwig Gerhards über den Erfolg eines Spiels aus seiner Holzmanufaktur und den Stress mit dem Verkaufsschlager.

In der Manufaktur Gerhards wird bereits seit 1931 in langer Familientradition mit Massivholz gearbeitet. Jetzt hat die kleine Firma in Ransbach-Baumbach (Westerwaldkreis) mit „Lass die Kirche im Dorf“ ein Brettspiel herausgebracht, das plötzlich zum Verkaufsschlager wurde. Der Erfolg hat auch Firmenchef Ludwig Gerhards (70) überrascht. Für ihn und seine sechs Mitarbeiter ist die Vorweihnachtszeit deshalb gerade besonders stressig. Ihr Großvater war der Firmengründer, was hat er denn produziert? Also vor dem Krieg hat er Dinge hergestellt, die damals in jedem Haushalt waren: beispielsweise kleine Fußschemelchen, Hocker und ein ganz wichtiges Produkt waren damals Waschbretter. Die wurden noch bis Anfang der 1950er-Jahre hergestellt. Als dann die Elektrifizierung in den deutschen Waschküchen einsetzte, war das kein Produkt mehr. Jetzt braucht man Waschbretter nur noch, um Skiffle-Musik zu machen. Ja, das ist richtig. Wie kam es dann zur Idee, auf Spiele umzusatteln? 1999 hatte ich mich mit einer Mitarbeiterin zusammengesetzt und überlegt, was können wir eigentlich Neues machen. Klar war: Wir wollten Dinge herstellen, die nicht nur schön und qualitativ hochwertig sind, sondern die man auch gebrauchen kann. Dann haben wir zunächst eine Küchenserie gemacht mit Schneidebrettern, Stövchen, Windlichtern – alles passend in einem Design – und Spiele. Das war natürlich für uns ziemliches Neuland mit den Spielen. Am Anfang haben wir Spiele herausgebracht, die wir in der Literatur gefunden hatten, also traditionelle Spiele aus aller Welt. Sie haben selbst keine Spiele erfunden? Ich erfinde sie ohnehin nicht, wir arbeiten heute mit Spieleautoren zusammen. Das ist übrigens eine sehr häufig gestellte Frage: Herr Gerhards, wer hat die Ideen? Ich bin sicher ein kreativer Mensch; aber ich versuche, die Ideen, die an uns herangetragen werden, optimal umzusetzen. Und genau so wie es Buchautoren gibt, gibt es natürlich auch Spieleautoren. Wie ist sie Resonanz auf Ihre Spiele? Wir haben rund 30 Spiele im Programm. Von jedem werden im Schnitt 50 bis 500 Stück im Jahr verkauft. Ab und zu haben wir einen Renner wie dieses Jahr mit „Lass die Kirche im Dorf“. Da werden wir, wenn wir alles ausgeliefert bekommen, bis nächste Woche rund 3400 Stück abgesetzt haben. Und das ist für unsere kleine Firma eine sehr große Stückzahl. Wie kam der Erfolg zustande? Das Spiel ist ja schon vor zwei Jahren entstanden und jetzt plötzlich hat es eingeschlagen. Das war für uns auch eine ganz interessante Geschichte. Normalerweise bekommen wir von einem Spieleautor einen konkreten Vorschlag für ein Spiel. Im Fall von „Lass die Kirche im Dorf“ ist die Evangelische Verlagsanstalt vor zwei Jahren mit ihrem Internetversand Christmonshop an uns herangetreten mit der Frage, ob wir nicht ein Spiel machen können mit dem Titel „Lass die Kirche im Dorf“. Es gab also zunächst nur den Titel. Dann sind Sie doch zum Spielerfinder geworden? Nicht ich. Ich habe zwei unserer Spieleautoren gefragt. Einer war Dieter Stein, der ist fast schon unser Hausautor. Die ersten Vorschläge waren aber für uns absolut unbefriedigend. Dann habe ich gesagt: Ein Spiel mit diesem Titel muss auch aussehen wie ein Dorf mit einer Kirche drin. Ich habe deshalb kleine Häuschen aus Holz gefertigt, einen Kirchturm und ein Kirchenschiff. Und das haben wir in zwei Holzarten – Ahorn und Nussbaum – dem Dieter Stein geschickt. Dann kam recht bald der erste Spielevorschlag von ihm auf einen 7 mal 7 Felder-Brett und das war schon recht gut. Worauf läuft es hinaus? Das Spielziel ist es, aus seinen Steinen ein Dorf mit Kirche zu machen, und zwar so, dass das Kirchenschiff am Turm direkt steht und die Häuser rechtwinklig mit der Kirche verbunden sind – also nicht nur über Eck. Das kann natürlich nur einer als erster schaffen. Es ist also eine Strategiespiel? Auf jeden Fall. Als wir es entwickelt haben, sagten zweier meiner Mitarbeiter: Es wäre doch toll, wenn bei dem Spiel noch ein Pfarrer dabei wäre. Ich habe dann erst mal geschaut, ob es serienmäßig irgendwo eine Holzfigur gibt, die passt. Und in der Tat, bei einem unserer Zulieferer haben wir eine schwarze Figur mit breitem Hut gefunden. Eine Art Monsignore. Und Dieter Stein hat dann passend dazu einen pfiffigen Spielzug erdacht, der heißt „Pfarrer hilf“. Das ist das Tüpfelchen auf dem „i“ dieses Strategiespiels. Wieso ist aber jetzt plötzlich die Nachfrage da? Zwei Jahre hatte der Christmonshop das Spiel exklusiv. Dieses Jahr wollten sie es nicht mehr alleine vertreiben. Deshalb habe ich es zusätzlich meinem größten Spielekunden angeboten, das ist der Shop von „Bild der Wissenschaft“. Die haben sofort gesagt, das ist toll, das nehmen wir. Die schnelle Zusage hat mich ein bisschen überrascht, denn es ist schon in der Größenklasse ein etwas hochpreisiges Spiel. Wenn man sieht, was dabei ist und wie es verarbeitet ist, weiß man zwar, dass der Preis schon in Ordnung geht. Aber der Wissenschaftsshop hat gleich 300 Stück genommen und gesagt, dass er weiter rund 1200 brauchen wird. Also haben Sie die Maschinen angeworfen? Wir haben dann mit 1500 bis maximal 1700 Stück geplant. Und natürlich auch das Material entsprechend kalkuliert und vorgerichtet. Ja und dann schlug das Spiel bei beiden Kunden deutlich besser ein als geplant. Dann kamen Aufträge über zweimal 300, einer über 500, dann über 600, schließlich über 1000 Stück. Das hat uns dann natürlich vor gewaltige Probleme gestellt. Weihnachtsstress der besonderen Art also. Ja klar. Aber im Spielebereich machen wir eigentlich schon seit Jahren die Hälfte unseres Umsatzes in den letzten drei Monaten des Jahres. Diesmal ist es noch mehr. Das bedeutet für mich, dass ich jetzt auch sonntags meistens im Betrieb bin, um vorbereitende Arbeiten zu machen, wie beispielsweise Maschinen einzustellen. Die Redensart „Lass die Kirche im Dorf“ heißt ja so viel wie „Bleib auf dem Teppich“ – passt denn das zur Spielidee? Ich glaube, dass der Titel ganz wesentlich zum Spielerfolg beigetragen hat. Wir hatten vor Jahren ein Spiel mit dem Titel „So läuft der Hase“, was sich auch recht gut verkaufte. Solche Titel machen auch Leute neugierig, die nicht die großen Spielefreaks sind.

Info

www.spiel-und-design.eu

| Interview: Rolf Schlicher

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