Coronavirus Ärzte bei Kinderimpfungen zurückhaltend

Das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, ist für kleine Kinder sehr gering.
Das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, ist für kleine Kinder sehr gering.

In wenigen Wochen könnten Zulassungsanträge für Corona-Impfstoffe für Kinder unter zwölf Jahren vorliegen. Schon vorher mit der Immunisierung zu beginnen, lehnen Mediziner selbst bei Kindern ab, die aufgrund von Vorerkrankungen stärker gefährdet sind. Aus Sicht der Experten ist ein Schutz der Kleinen derzeit auf andere Weise möglich.

Kinderärzte sehen Corona-Schutzimpfungen bei Kindern unter zwölf Jahren, für die es bisher keine Zulassung und keine Empfehlung durch die Ständige Impfkommission gibt, sehr kritisch. „Auf gar keinen Fall sind wir für eine Off-Label-Impfung“, sagte Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder und Jugendmedizin an der Uni-Klinik Köln. Eine Off-Label-Impfung wäre der Einsatz eines Vakzins für einen Zweck, für den es keine Zulassung gibt, also beispielsweise für die Impfung eines Kindes unter zwölf Jahren. Die Off-Label-Verwendung von Medikamenten ist in der Medizin grundsätzlich möglich, doch sollten wissenschaftliche Erkenntnisse dafür sprechen.

Bei einem Pressebriefing des Science Media Center am Montag verwies Dötsch darauf, dass die Krankheitsschwere bei Kindern so gering sei, dass es auch für die Ständige Impfkommission nach der Zulassung in Europa viele Wochen gedauert habe, die Empfehlung guten Gewissens und aufgrund einer guten Datenlage für die Zwölf- bis 17-Jährigen auszusprechen.

Kinder mit Trisomie 21 gefährdet

Bekannt sei bisher, dass bestimmte chronische Vorerkrankungen bei Kindern zu etwas schwereren Covid-19-Verläufen führen können. Vor allem gehe es dabei um Krankheiten, die mehrere Organe betreffen – wie zum Beispiel Trisomie 21. Zudem seien Kinder mit sehr starkem Übergewicht gefährdet. Doch auch bei ihnen rät Dötsch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist, zum Abwarten der Zulassungsdaten. „Wir sollten an dieser Stelle jetzt nicht überaktiv werden.“

Erhofft würden Zulassungsdaten von Impfstoffherstellern für die Sechs- bis Elf-Jährigen Ende September und für jüngere Kinder Ende Oktober, sagte Dötsch. Danach gelte es sowohl die mögliche Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur als auch eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission mit Blick auf Kinderimpfungen abzuwarten.

23 Todesfälle bei unter 20-Jährigen

Die Wahrscheinlichkeit, dass mit Sars-Cov-2 infizierte Kinder in Deutschland wegen einer Covid-19-Erkrankung in ein Krankenhaus kommen, ist nach Angaben des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig nach derzeitigem Stand sehr gering. Auch das Risiko, dass Kinder und Jugendliche sehr schwere Covid-19-Verläufe entwickeln, auf eine Intensivstation kommen oder sogar sterben, gilt als äußerst gering. Bisher sind nach den Daten des Robert Koch-Instituts 23 Todesfälle bei unter 20-Jährigen bekannt, von denen die große Mehrzahl schwere Vorerkrankungen hatte. Insgesamt sind in Deutschland mehr als 92.000 Covid-Todesfälle registriert.

Nicht die Impfung von Kindern hält der Mediziner Dötsch für dringlich. „Wir haben rund 17 Millionen nicht erstgeimpfte Erwachsene. Da ist das Problem“, sagte er. „Die Erwachsenen haben die Pflicht, die Menschen, die sich nicht impfen lassen können und die letztlich gefährdet sind, mit zu schützen.“ Man könne Kinder nicht dazu zwingen, sich ununterbrochen für das Wohl ungeimpfter Erwachsener einzusetzen.

Ärzte gegen Schulschließungen

„Es kann jetzt nicht sein, dass wir Erwachsenen alle Freiheiten für uns beanspruchen und glauben, dass die Kinder uns wieder retten“, ergänzte er. Es seien die Kinder gewesen, die Erwachsene mit geschützt hätten, als es noch keinen Impfstoff gab. Schulschließungen hätten in den ersten Pandemiewellen dazu beigetragen, dass es unter Erwachsenen weniger schwere Verläufe gegeben habe. „Wir fordern ganz klar: Bevor noch einmal eine Schule geschlossen wird, müssen auch alle anderen Bereiche des öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens geschlossen werden“, sagte Dötsch.

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