Politik Zur Sache: Wie Iran die Bombe ausgeredet wurde – zumindest auf dem Papier

Das Abkommen gilt als eine Sternstunde der Diplomatie. Es war Beharrlichkeit gefragt, als 2002 erstmals einigermaßen haltbare Mutmaßungen öffentlich auftauchten, Iran baue eine Atombombe. Es dauerte dann zwölf lange Verhandlungsjahre. Erst am 14. Juli 2015 kam es zu einer Verständigung auf den „Joint Comprehensive Plan of Action“, also zur Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm. Ziel der Vereinbarung war es, Iran die militärische Nuklearoption aus der Hand zu nehmen. Beteiligt am Verhandlungsmarathon waren neben Iran die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die EU koordinierte den Prozess. Dieses Format ist im deutschen außenpolitischen Jargon unter der Abkürzung „E3/EU+3“ bekannt. Das Abkommen mit Laufzeit bis 2025 besteht im Wesentlichen aus folgenden Elementen: Iran verzichtet in seinen Atomanlagen auf zwei Drittel seiner Zentrifugen. Die werden gebraucht, um ausreichende Mengen an Uran waffenfähig anzureichern. In der Atomanlage Natanz dürfen beispielsweise nur maximal 5060 Zentrifugen der ersten Generation eingesetzt werden. Bereits angereichertes Uran musste an Russland abgegeben werden. Im Reaktor Arak wurde der Kern der Anlage mit Beton aufgefüllt. Zugleich musste eine Forschungsanlage, ebenfalls in Arak, umgewidmet werden. Ferner musste sich Teheran bereit erklären, den Handel mit Nukleartechnik und sogenannten Dual Use-Gütern international überwachen zu lassen. „Dual-Use“-Güter können sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden. Überwacht wird das Abkommen durch die internationale Atomenergie-Organisation IAEO. Die hat Iran bisher bescheinigt, sich an die Vereinbarung zu halten. Im Gegenzug lockerten die Vereinten Nationen und die Europäische Union die Sanktionen gegen Iran ab Mitte Januar 2016. Allerdings nur die, die aufgrund des Atomprogramms verhängt wurden. So kann Iran beispielsweise wieder Öl und Gas exportieren. Das Land hat sich seither spürbar erholt. 2016 ist die Wirtschaft laut Auswärtigem Amt um 12,5 Prozent gewachsen. Im vergangenen Jahr exportierte Iran Güter im Wert von rund zehn Milliarden Euro in die EU – das Zehnfache im Vergleich zum Sanktionsjahr 2015. Deutschland hat großes Interesse am Fortbestand des Abkommens. Denn würde sich Iran atomar bewaffnen, würde das eine Aufrüstungsspirale in der Region in Gang setzen – mit unkalkulierbaren Folgen. Der frühere Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt. In der ARD zitierte er dieser Tage seinen damaligen US-Kollegen John Kerry mit den Worten: „Uns muss klar sein, mit dieser Unterschrift haben wir wahrscheinlich einen Krieg verhindert.“ Laut Steinmeier sind diese Worte während der Vertragsunterzeichnung gefallen. Deutschland hat auch ein wirtschaftliches Interesse an Stabilität in der Region. Seit Aufhebung der Sanktionen 2016 hat der deutsch-iranische Handel um 42 Prozent zugelegt. Inzwischen werden Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro ausgetauscht. Allerdings ist das Abkommen nicht unumstritten. Gegner Irans – etwa Israel oder Saudi Arabien – glauben, Teheran habe die Weltgemeinschaft bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen. Israel ist nicht überzeugt davon, dass Iran die militärische Nuklearoption aus der Hand genommen worden ist.

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