Politik Zur Sache: Orbán präsentiert sich den Ungarn als Retter vor der EU

„Ungarn verteidigen“ lautet das Motto der neuen Kampagne, die Orbán gegen die EU und das Europaparlament eingeleitet hat. Das Regierungsblatt „Magyar Idök“ („Ungarische Zeit“) berichtet, dass die Kampagne längerfristig angelegt sei und künftig in allen Medien laufen werde. Orbán will offenbar bis zur Europawahl im Mai 2019 die Stimmung gegen Brüssel aufheizen, um sich gleichzeitig den Wählern als einziger Beschützer Ungarns zu präsentieren. Auftakt ist ein kurzer Videoclip, in dem ein Sprecher, untermalt mit düsteren Klängen, die Unheilsbotschaft verkündet: „Geben wir der Erpressung nicht nach. Die einwanderungsfreundliche Mehrheit im Europaparlament will uns zum Schweigen bringen, weil wir unsere Heimat und Europa mit einem Grenzzaun schützen.“ Somit setzt Orbán seine bekannte Strategie fort, Ungarn als Opfer der EU-Migrationspolitik darzustellen. Doch den eigentlichen Anlass der neuen Anti-EU-Kampagne verschweigt der Propagandaclip. Der wahre Grund ist das mit großer Mehrheit im Europaparlament beschlossene Strafverfahren, weil von Ungarns Regierung eine „systematische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“ ausgehe. Orbán will diesen Beschluss beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen angeblicher Manipulation anfechten, weil bei der Abstimmung die Enthaltungen nicht mitgezählt wurden. Eine weitere Steilvorlage für Orbáns Anti-EU-Kampagne ist die Entscheidung der Brüsseler Kommission, die Grenzschutzagentur „Frontex“ auf 10.000 Polizisten aufzustocken. Diese sollen an den Außengrenzen des Schengen-Raumes stationiert werden. Innerhalb des Schengenraumes sind die Kontrollen abgeschafft, theoretisch wird nur noch an der Außengrenze kontrolliert. Orbán sieht in der Stationierung von „Frontex“-Polizisten eine grobe Verletzung der Souveränitätsrechte seines Landes – und befindet sich dabei mit anderen EU-Staaten wie Italien in guter Gesellschaft. Niemals werde er, so Orbán, „von Brüssel entsandte Söldner“ an der ungarischen Süd- und Ostgrenze akzeptieren. Ungarische „Profis und Patrioten“ könnten dies besser. Von den westlichen EU-Regierungschefs zeigt sich Orbán zunehmend enttäuscht. Er sucht deshalb verstärkt beim russischen Präsidenten Wladimir Putin Schutz und Zuspruch. Unmittelbar nach der Abstimmung im Europaparlament über das Verfahren gegen Ungarn flog Orbán nach Moskau. Orbáns Wandlung ist atemberaubend: Einstmals zur demokratischen Wende 1989 antikommunistischer Studentenführer, der die sowjetischen Truppen des Landes verwies, ist er heute nach Putins Worten „der wichtigste Partner für Russland in Europa“. Man könnte es boshaft formulieren: Moskau hält sich den Regierungschef eines EU- und Nato-Landes als Spitzel in Brüssel.

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