Politik Zumindest ein Parkhaus ist eröffnet

Eigentlich sollte der neue Berliner Flughafen bereits 2012 in Betrieb gehen. Fünf Jahre später ist immer noch nicht absehbar, wann am BER der Flugverkehr aufgenommen werden kann. Die Aneinanderreihung von Fehlplanungen, Mängeln und Rückschlägen ist nicht mehr zu fassen, geschweige denn zu vermitteln.

Wir schreiben das Jahr 2012. Lange Schlangen bilden sich vor der Sicherheitskontrolle. Männer in gelben Warnwesten wuchten Gepäckstücke auf die Förderanlage. Auf noch mit Folien geschützten Bildschirmen werden weltweite Destinationen angezeigt. Im Hauptterminal des Flughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ herrscht dichtes Gedränge, gut gelaunte Komparsen verteilen sich an die vorgegebenen Check-In-Schalter. Zwar funktionieren nicht alle Rolltreppen, aus manchen Decken hängen dicke Kabelrollen, und an Teilen der Innenverkleidung und Beleuchtung wird noch gebohrt und geschraubt. Aber das gehört zum Endspurt dazu. „Nur Fliegen wäre schöner“, witzeln Medienvertreter, überwiegend begeistert von der High-Tech-Schaltzentrale des Airports und der modernen Industrieästhetik des Baus. Fast alles schien bereit für den Start des wichtigsten Infrastrukturprojekts im Osten Deutschlands. Doch so lebendig und wuselig wie beim Probebetrieb im Frühsommer vor fünf Jahren sollte es auf der BER-Dauerbaustelle nie wieder zugehen. Tatsächlich erlebten Tausende Freiwillige damals eine Art Potemkinsches Dorf des 21. Jahrhunderts. Niemand von ihnen ahnte, dass hinter den glänzenden Glas- und Natursteinfassaden und schmucken Wandverkleidungen wenig zusammenpasste und noch weniger funktionierte – erst recht nicht, wie komplex und anfällig die im Verborgenen arbeitende Technik ist. Wegen gravierender Brandschutzmängel konnte der BER nicht in Betrieb gehen. Und statt eines Ansturms der Passagiere gab es kübelweise Häme und Spott für das Milliarden-Projekt im brandenburgischen Schönefeld. Willy Brandschutz begrüßt die Welt, war bald zu hören. Später gab es dann Postkarten mit dem Konterfei des ehemaligen SED-Chefs Walter Ulbricht und seiner berühmtesten Äußerung, natürlich nicht auf den Bau einer Mauer zur Teilung Deutschlands, sondern auf den Pannen-Airport gemünzt: „Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen!“. Heute wird überwiegend der Mantel des Schweigens über das einstige Zukunftsprojekt ausgebreitet. Ein leitender Mitarbeiter des ersten Probebetriebs darf sich zu den Fragen der RHEINPFALZ nicht äußern, weil seine Bundesbehörde – so die inoffizielle Begründung – nicht mit der peinlichen Dauerbaustelle in Verbindung gebracht werden möchte. Dutzende Manager, Planer und Politiker, die mit dem BER zu tun hatten, wurden entweder geschasst oder haben von sich aus das Handtuch geworfen. Fünf geplatzte Eröffnungstermine und ungezählte gebrochene Versprechungen haben den Airport zu einem Verliererthema werden lassen – wer da Verantwortung übernimmt, muss stets mit dem Schlimmsten rechnen. Nach Jahren der Fehlplanungen, der Mängel, der Rückschläge und des Sanierungsstaus haben sich inzwischen auch viele Menschen in der Region vom BER abgewandt. Es ist auch nicht zu fassen und erst recht nicht zu vermitteln, dass die Grundprobleme des Flughafens sich in den zurückliegenden Jahren kaum verändert haben: Nach wie vor funktionieren weder Automatiktüren noch die zu gering dimensionierte Sprinkleranlage. Inzwischen sind im Terminal über 800 Räume nachträglich an die Entrauchungs- und Brandschutzanlage angeschlossen und etwa 25.000 Sprinklerköpfe eingebaut worden. Wegen der zahlreichen neuen Verästelungen sind dort enorme Druckprobleme entstanden. So müssen rund zwei Kilometer Hauptrohre gegen größer dimensionierte Leitungen ausgetauscht werden, für die wiederum die Schächte und Kabeltrassen zu eng sind. Noch schwieriger gestaltet sich offenbar die Inbetriebsetzung der rund 800 Automatiktüren, die entweder fehlerhaft oder gar nicht verkabelt sind. Die mangelhafte Steuerung der Türen war einer der Hauptgründe für die Absage des Starttermins vor fünf Jahren. Neben Pfusch im großen Stil und dem Planungs- und Ausführungschaos brachte der inzwischen abgesetzte BER-Chef Karsten Mühlenfeld Anfang des Jahres noch die märchenhaft anmutende Theorie von der „Gewalt gegen Sachen“ ins Spiel, um die unglaubliche Pannenserie zu erklären: „Möglicherweise wurden Türen mit Gewalt geöffnet. Handwerker sind manchmal gewalttätig.“ Fest steht jedenfalls, dass jede einzelne Tür in das System einzubinden ist. Am Ende muss außerdem gewährleistet sein, dass bestimmte Türen nur autorisierten Personen Zugang gewähren, denn bei zunehmender terroristischer Bedrohung wird genauer hingesehen, wenn es um Sicherheitsfragen geht. Doch selbst wenn Sprinkler und Türen funktionieren – inzwischen sollen von 17.000 festgestellten Mängeln seit Anfang des Jahres über 4000 behoben worden sein – stehen die umfangreichen Tests und Abnahmen erst bevor: Entrauchungsklappen, Sprinkleranlage, Tür- und Fensteröffnungen müssen genau abgestimmt für jedes Brandschutzszenario funktionieren. Es ist der ultimative Härtetest für den BER und der Hauptgrund, weshalb sich bislang auch der neue Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup bei der Nennung eines konkreten Eröffnungstermins bedeckt hält. Zwar hat er das kommende Jahr als Ziel für die Eröffnung ausgegeben. Aber zu den komplexen technischen Problemen kommt noch ein anderes: Baufirmen und Sachverständige verdienen kräftig daran, dass die Eröffnung des Flughafens immer wieder scheitert – unter anderem, weil sie seit Jahren auf Stundenbasis angefordert werden. Experten sind sich sicher, dass der BER kaum vor 2019 den Betrieb aufnehmen kann; noch immer nicht abschließend geklärt ist der Brandschutz für den seit über fünf Jahren fertigen, bislang nutzlosen Tiefbahnhof. Um die Entrauchung für das Maximalszenario (90 Millionen Fahrgäste im Jahr) zu sichern, dürften erneut aufwendige Umbauten notwendig sein, weshalb die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) mit dem zuständigen Bauamt des Kreises Dahme-Spree eine Übergangslösung für gut 20 Millionen Reisende in den ersten beiden Jahren anstrebt. Damit der BER nicht auch noch ein Schimmelproblem bekommt, fährt die Deutsche Bahn regelmäßig mit Leerzügen durch die unterirdischen Bahnanlagen und sorgt somit für Frischluft. Verglichen mit den Kosten des anhaltenden BER-Stillstands – monatlich rund 17 Millionen Euro, fehlende BER-Einnahmen von kalkulierten 13 Millionen Euro, das macht also rund eine Million Euro Ausfall pro Tag – sind die Leerfahrten ein Schnäppchen. Erst recht, wenn man bedenkt, dass die BER-Gesamtkosten von einst 2,5 Milliarden Euro inzwischen auf rund 6,5 Milliarden Euro angewachsen sind. Seit dem vergangenen Sommer erzielt der BER tatsächlich auch Einnahmen. Heimlich, still und leise wurde das geräumige Parkhaus P3 eröffnet, das sich direkt vor dem Terminal des künftigen Airports befindet. Es hat den Vorteil, dass ein Stellplatz derzeit schon ab 39 Euro in der Woche zu haben ist, allerdings auch den großen Nachteil, dass man vom BER vorläufig nicht abheben kann. Die FBB bietet deshalb für die Nutzer der rund 2000 Parkplätze einen kostenfreien Shuttle-Service im 15- bis 30-Minuten-Takt zum Flughafen Schönefeld-Alt an.

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