Neues aus der Redaktion Wie Kriegsfotos wirken: Von (un)zumutbaren Bildern und von Besserwissern

In Butscha bot sich nach dem Abzug der russischen Armee ein Bild des Grauens. Offensichtlich wurden dort auch Kriegsverbrechen b
In Butscha bot sich nach dem Abzug der russischen Armee ein Bild des Grauens. Offensichtlich wurden dort auch Kriegsverbrechen begangen.

Welche Fotos vom Krieg in der Ukraine sollen in den Medien gezeigt werden? Die Debatte darüber dauert an. Die Meinungen gehen auseinander – unter Experten, in unserer Leserschaft, in der Redaktion der RHEINPFALZ. Der Deutsche Presserat, das Organ der Selbstkontrolle der Medien, hat uns Journalisten dazu aufgerufen, bei der Auswahl von Fotos „sorgsam zwischen dem Informationsinteresse der Leserschaft und den Interessen von Opfern und deren Angehörigen abzuwägen“. Das ist gut gemeint, beschreibt aber nur eine selbstverständliche Pflicht der Journalisten. In den konkreten Fällen hilft es wenig. Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München, empfiehlt als wichtigstes Kriterium bei der Auswahl von Kriegsbildern: die Persönlichkeitsrechte der Opfer, die Wahrung ihrer Privatsphäre. Wenn Fotos Todesopfer ins Rampenlicht rückten, gerate deren Schicksal in den Hintergrund. Die eigentliche Botschaft sei dann: Schaut, wie brutal der Krieg ist!

Andere Experten halten es für notwendig, die Gewalt des Krieges uneingeschränkt zu dokumentieren, damit die Brutalität der Angreifer nicht verharmlost werden kann und sie dafür haftbar gemacht werden können. Ich selbst neige dazu, bei der Fotoauswahl den Schutz der Opfer und ihrer Angehörigen höher zu bewerten. Ich glaube, dass die ganze Brutalität des Krieges auch in den Fotos zum Ausdruck kommt, welche die Zerstörung von Städten, Dörfern, Fabriken oder Brücken dokumentieren. Denn dort überall sind auch Menschen, deren Tod die Angreifer bewusst in Kauf nehmen oder gezielt beabsichtigen.

Krieg darf niemals als Normalität empfunden werden

Über die Wirkung von Kriegsfotos auf die Betrachter gibt es zu wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Welche Fotos lösen Mitgefühl aus, welche stumpfen ab? Das ist jetzt eine ganz schwierige Aufgabe von Journalisten: Die öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten für das Kriegsgeschehen, obwohl es immer länger andauert, keinen Überdruss zu erzeugen. Wenn die Hilfe für die Opfer nachlässt, werden die Angreifer völlig hemmungslos. Dann geraten auch das Völker- und das Kriegsrecht ins Abseits. Krieg darf niemals als Normalität empfunden werden.

In der Redaktion der RHEINPFALZ und der RHEINPFALZ am SONNTAG haben wir gelernt: Es gibt keine allgemeine Regel für die Auswahl von Fotos. Es geht nur mit der Prüfung jedes Einzelfalls. Und es gibt immer wieder umstrittene Entscheidungen. Bei den Anschlägen vom 11. September 2001 haben wir Fotos, die Menschen zeigen, wie sie sich vor den Flammen aus den Hochhäusern in die Tiefe stürzen, nicht gezeigt. Auch das erschütternde Foto des 2015 ertrunkenen Flüchtlingskindes Aylan Kurdi haben wir zunächst nicht abgedruckt. Beides stieß auf Lob und Tadel.

Über Putin gibt es kein positives Wort von mir

Der vom Presserat geforderte „sorgsame“ Umgang mit Kriegsfotos unterstreicht die Notwendigkeit der Selbstkontrolle der Medien. Was ich mir auch wünsche, ist mehr Selbstkritik. Die Geschwindigkeit, mit der viele Leitartikler und Kommentatoren nach dem Beginn von Putins Angriffskrieg die Russlandpolitik früherer deutscher Regierungen und verantwortlicher Politiker für falsch erklärt haben, ist geradezu schwindelerregend. Viele dieser Meinungsbildner sollten mal nachlesen, was sie selbst früher geschrieben haben. Die wenigsten von ihnen haben damals vor Putins Geschichtsklitterung, vor seinem Willen, das sowjetische Imperium wiederherzustellen und vor seiner Bereitschaft zum Krieg gewarnt.

Ihre Kritik ist besserwisserisch, solange sie nicht, so wie einige Politiker, ihre Fehleinschätzungen einräumen. Ich habe meine Meinungsbeiträge zu Russland und zu Putin nachgelesen. Auch ich war zumeist in Krisen und Konflikten für Verhandlung, für Vermittlung, für Interessenausgleich. Ich war zu hoffnungsvoll. Gewarnt habe ich immer davor, dass die deutsche Wirtschaft sich in zu große Abhängigkeit von Russland (und China) begibt. Und über Wladimir Putin gibt es kein positives Wort von mir. Ich habe seine Rolle als KGB-Offizier und Späher im Dresden der untergehenden DDR studiert und dabei festgestellt: Ihn treibt nicht politische Einsicht (wie etwa Michail Gorbatschow), sondern Nationalismus.

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