Politik Trumps Richterkandidat unter starkem Druck

Noch rechtzeitig vor den Kongresswahlen im November wollen US-Präsident Donald Trump und seine Republikaner-Partei einen weiteren Konservativen zum Bundesverfassungsrichter machen: Brett Kavanaugh (53) ist ihr Kandidat. Nun aber wirft eine Psychologie-Professorin aus Kalifornien dem Juristen vor, sie vor 36 Jahren mit Gewalt sexuell bedrängt zu haben.

Jetzt hat sich auch Anita Hill zu Wort gemeldet, die Frau, in der die MeToo-Bewegung eine frühe Wegbereiterin sieht. Man könne die Parallelen nicht übersehen, schreibt sie in der „New York Times“. Die Parallelen zwischen ihr und Christine Blasey Ford. Zwischen 1991 und 2018. Zwischen zwei Männern, die ins Oberste Gericht aufrücken wollten. Zwischen Clarence Thomas und Brett Kavanaugh. 1991 hatte der US-Senat darüber zu befinden, ob Thomas, ein konservativer Jurist, fortan dem Supreme Court angehören sollte. Während des vorgeschriebenen Bestätigungsverfahrens schilderte Anita Hill, wie er sie in seinem Büro sexuell belästigt hatte. Im Justizausschuss der Kammer, damals eine Männerdomäne, hatten jene Oberwasser, die Hills Darstellung anzweifelten und sich obendrein süffisante Witzeleien auf ihre Kosten erlaubten. Thomas wurde Richter. Was eine Rekordanzahl von Frauen bewog, sich im Jahr darauf für einen Sitz im Kongress zu bewerben. Heute hat besagter Senatsausschuss erneut über einen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof zu befinden. Mit Kavanaugh ist es wie damals ein Konservativer. Wie damals meldet sich eine Frau zu Wort, um sexuelle Belästigung zum Thema zu machen. Nur dass bereits 36 Jahre zurückliegt, worüber sie spricht. Christine Blasey Ford lehrt Psychologie an der Palo Alto University im Silicon Valley. In einem Brief an ihre Kongressabgeordnete, der schließlich bei der kalifornischen Senatsveteranin Dianne Feinstein landete, schilderte sie, was ihr 1982, sie war damals 15, auf einer Party in einem Villenvorort Washingtons widerfahren sein soll. Kavanaugh und ein zweiter Teenager namens Mark Judge, beide Schüler einer Eliteschule, beide betrunken, hätten sie in ein Zimmer gezerrt. Kavanaugh habe sie auf ein Bett geworfen, sich auf sie gelegt und versucht, ihr die Sachen vom Leib zu ziehen. Um sie am Schreien zu hindern, habe er ihr eine Hand auf den Mund gelegt. Sie habe Angst gehabt, zu ersticken. Als sich sein Kumpan ebenfalls auf das Bett warf, habe Kavanaugh die Balance verloren, sodass sie entkommen konnte. Lange habe sie darüber geschwiegen, bis sie vor sechs Jahren, bei einer Ehetherapie mit ihrem Mann, erstmals ins Detail ging. Seit Fords Brief publik wurde, ist Kavanaughs Karrieresprung mit dicken Fragezeichen versehen – eine überraschende Wende in einem Verfahren von enormer Tragweite. Bis dahin schien es, als könnte ihn nichts mehr aufhalten, rhetorisch geschmeidig hatte er sämtliche Klippen der Senatsanhörung mühelos umschifft. Wird er bestätigt, wird der konservative Flügel am Supreme Court erheblich gestärkt. Fünf der neun Richter würden ihm dann angehören. Während der im Sommer ausgeschiedene Anthony Kennedy in keine ideologische Schublade passte, ist Kavanaugh ein Favorit evangelikaler Christen. 53 Jahre alt, könnte der Jurist, auf Lebenszeit ernannt, noch für mindestens drei Jahrzehnten Recht sprechen – ein Garant dafür, dass die liberalere Fraktion auf absehbare Zeit überstimmt würde. Allein schon die Aussicht auf eine solche Zäsur erklärt die Härte des Streits um Brett Kavanaugh. Da die Republikaner den Senat kontrollieren, haben die Demokraten rechnerisch keine Chance, ihn auszubremsen. Es sei denn, auch in der Regierungspartei wachsen die Zweifel. Zwei republikanische Senatorinnen, Susan Collins und Lisa Murkowski, lassen angesichts der Causa Ford zumindest Nachdenklichkeit erkennen. Eine fällige Abstimmung wurde verschoben, dann sollte alles auf eine Art Showdown am nächsten Montag zulaufen. Beide, Ford und Kavanaugh, sollten vor dem Ausschuss auftreten. Aussage sollte gegen Aussage stehen, während sich Mark Judge, der Dritte im Zimmer, angeblich an nichts mehr erinnern kann. Nun aber will Ford zunächst das FBI ermitteln lassen, ehe sie selber ins Rampenlicht tritt. Sie habe Morddrohungen erhalten und die Wohnung wechseln müssen, seit sie sich aus der Anonymität herauswagte, lassen ihre Anwälte wissen: „Ihre schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden.“

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