Politik Schulz warnt seine Partei: Neuwahlen wären riskant

«Berlin/Mainz.» 40 sozialdemokratische Amts- und Mandatsträger aus Bund und Ländern wandten sich gestern in einem Appell an die 600 Delegierten des SPD-Sonderparteitags, der am Sonntag in Bonn zusammenkommt. Darin werden die Delegierten zu einem Ja zur Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen aufgefordert – „aus Verantwortung für Deutschland, Europa und die SPD“, wie es in dem Appell heißt. Die SPD habe in den Sondierungen konkrete Verbesserungen in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Renten-, Bildungs- und Europapolitik durchgesetzt. Sie solle daher selbstbewusst in Verhandlungen über eine große Koalition eintreten. Zu den Unterzeichnern zählen auch die ehemaligen Juso-Vorsitzenden Niels Annen und Björn Böhning – obwohl die Jungsozialisten, die Nachwuchsorganisation der SPD, das Lager der Gegner einer erneuten großen Koalition anführen. Auch viele Landesverbände geben ein Bild der Zerrissenheit ab. Die Spitze der SPD in Rheinland-Pfalz hat darauf verzichtet, den 49 rheinland-pfälzischen Delegierten eine Empfehlung für den Sonderparteitag zu geben. Man habe bewusst keine Abstimmung herbeigeführt, sondern „die Argumente gewogen“, sagte Generalsekretär Daniel Stich gestern in Mainz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht die Ergebnisse der Sondierung als eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen an. Sie setzt darauf, dort für die SPD das Beste herauszuholen. SPD-Chef Martin Schulz dämpfte Erwartungen, in den Koalitionsverhandlungen könnten Änderungen an der Sondierungsvereinbarung mit der Union erzielt werden. Er warnte seine Partei vor den Gefahren einer Neuwahl des Bundestags. Bei einer Ablehnung von Koalitionsverhandlungen würde es ziemlich rasch zu Wahlen kommen, sagte Schulz dem „Spiegel“. Die SPD müsse dann mit einem schlechteren Ergebnis rechnen und zudem mit einem Programm in den Wahlkampf ziehen, das großteils mit dem Ergebnis der Sondierungsgespräche identisch wäre. Die SPD kommt derzeit laut ZDF-„Politbarometer“ auf einen Wähleranteil von 20 Prozent. Das sind drei Prozentpunkte weniger als Anfang Dezember und weniger als die 20,5 Prozent, die die SPD bei der Bundestagswahl erhielt. Die Union legt einen Punkt zu auf 33 Prozent. Zwei von drei befragten Bundesbürgern erwarten, dass die SPD am Sonntag den Weg für Koalitionsverhandlungen freimacht. Dreyer räumte ein, dass die Situation sehr schwierig für die SPD sei. „Aber ich würde Umfragen zurzeit nicht als Kompass nehmen“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Gegnern einer großen Koalition warf sie „Oppositionsromantik“ vor.

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