Meinung Russische Bedrohung: Der Nato läuft die Zeit davon

Admiral Rob Bauer ist der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses.
Admiral Rob Bauer ist der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses.

Zwar schwächt sich Russland derzeit mit seinem Krieg gegen die Ukraine selbst. Trotzdem könnte Moskau in ein paar Jahren einen Angriff auf Nato-Staaten wagen. Darauf muss sich die Allianz vorbereiten.

Der Nato-Militärausschuss hat sich am Mittwoch mit den neuen Plänen zur Verteidigung der Allianz befasst. Das Bündnis sagt dabei offen, von wem die größte Bedrohung ausgeht: Putins Russland. Seit dem Überfall Moskaus auf die Ukraine im Februar 2022 macht man sich im Nato-Hauptquartier hier keine Illusionen mehr. Die Allianz will deshalb ihre schnelle Eingreiftruppe vergrößern; bis zu 300.000 Soldaten sollen künftig innerhalb von 30 Tagen verlegt werden können, um einen russischen Angriff zurückzuschlagen. Die Planungen zielen nun auch darauf ab, die gegnerischen Truppen möglichst früh zu stoppen, damit sie nicht viel Territorium einnehmen können – zu schlimm sind die Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in den besetzten ukrainischen Gebieten.

Doch so notwendig diese neuen, angepassten Planungen der Militärs sind: Wichtiger ist, was auf politischer Ebene geschieht. Allein eine erneute Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Herbst hätte wohl zur Folge, dass die US-Unterstützung für Europa wegbräche. Ein Albtraum! Aber auch so fehlt die notwendige politische Entschlossenheit.

Verdammt wenig Zeit

Experten gehen davon aus, dass die russische Armee nach einem Ende des Kriegs gegen die Ukraine sechs bis zehn Jahre bräuchte, um wieder stark genug zu sein, um einen Angriff auf die Nato, etwa auf die baltischen Staaten, zu wagen. Sechs Jahre sind verdammt wenig Zeit. Das scheint aber nicht jedem klar zu sein. Exemplarisch erwähnt sei hier die Aussage des verteidigungspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller, der im Dezember gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht mit den Worten argumentierte, diese wäre ein „enormer Eingriff in die Freiheitsrechte, der nicht im Verhältnis zur Bedrohung Deutschlands steht“. Als Argument taugt das nicht, weil man mit großen Weichenstellungen wie der Wehrpflicht nicht warten darf, bis die Bedrohung akut ist. Dafür ist es dann nämlich zu spät.

Das gilt auch für die angemessene Ausrüstung der Bundeswehr. Russland hat seine Industrie auf Kriegswirtschaft umgestellt und wird das wohl auch nach dem Ende der Kämpfe in der Ukraine beibehalten. Europa soll sich daran kein Beispiel nehmen, aber die Rüstungsproduktion müsste schon deutlich ausgeweitet werden, wofür die Unternehmen entsprechende Abnahmegarantien der Politik brauchen.

Rechtzeitig rüsten

Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass es nicht ausreicht, einige hochmoderne Waffensysteme zu haben. Es geht auch um Masse. Es braucht viele Panzer und Artilleriegeschütze, Flugabwehrsysteme und Drohnen. Und vor allem braucht es genügend Munition. Hier hat der Westen viel Nachholbedarf.

Es geht dabei nicht in erster Linie darum, dass die Nato einem russischen Angriff standhält, sondern dass sie so stark ist, dass Moskau einen Angriff gar nicht erst wagt. Wenn man die Rüstungsanstrengungen erst dann massiv beginnt, wenn die Bedrohung akut ist, birgt gerade das die Gefahr eines hektischen Wettrüstens, einer Eskalationsspirale. Man würde dann der Gegenseite einen Vorwand liefern loszuschlagen. Da ist es besser, die Streitkräfte kontinuierlich verteidigungstauglich zu machen. Bisher geschieht hier aber noch zu wenig.

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