Politik Neues Buch über Missbrauchskrise: Abrechnung mit Ex-Papst Benedikt XVI.

April 2005: Der neugewählte Papst Benedikt XVI. grüßt die Gläubigen vom Balkon des Petersdoms im Vatikan.
April 2005: Der neugewählte Papst Benedikt XVI. grüßt die Gläubigen vom Balkon des Petersdoms im Vatikan.

Seit acht Jahren ist das Pontifikat von Benedikt XVI. beendet. Aber noch immer sorgt sein Wirken in der Kirche für Kontroversen. Ein neues Buch hält ihn für einen Hauptschuldigen am Missbrauchsskandal der katholischen Kirche.

Das Buch „Nur die Wahrheit rettet – Der Missbrauch in der katholischen Kirche und das System Ratzinger“ schrieb die ehemalige Ordensfrau Doris Reisinger mit dem Filmregisseur Christoph Röhl, der 2019 das Wirken von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. in dem Film „Verteidiger des Glaubens“ scharf kritisiert hatte.

Auf 348 Seiten versuchen Reisinger und Röhl eine umfassende Demontage des heute 93-Jährigen, der als Wissenschaftler, als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst (2005 bis 2013) Theologie und Kirche über ein halbes Jahrhundert maßgeblich mitprägte. Die Autoren deuten das Denken und Wirken des Theologen von seinem Umgang mit dem Missbrauch von minderjährigen und abhängigen Menschen durch Kleriker her. Sie versuchen, anhand der Fehler, die er im Umgang mit diesem Mega-Skandal machte, sein gesamtes Denken als verfehlt und schädlich für die Kirche herauszuarbeiten. Auch der Rücktritt ist in dieser Perspektive nichts anderes als die natürliche Konsequenz aus diesem Versagen.

Im Strudel von Skandalen

Die Autoren schildern im Detail, wie die katholische Kirche vor Ort und im Vatikan seit den frühen 1980er Jahren versuchte, Medienberichten über sexuellen Missbrauch ausweichend und mit Beschwichtigungen zu begegnen. Sie zeichnen nach, wie das, was in den USA mit einem Einzelfall begann, sich über Jahre zum Flächenbrand ausweitete – und wie die Männer an der Kirchenspitze lange Zeit nichts unternahmen.

Wenig davon ist neu, aber die umfassende, beinahe globale Perspektive der Erzählung ist beachtlich. Neu ist, wie Reisinger und Röhl das Agieren von Joseph Ratzinger in diesem Strudel von Skandalen, Vertuschungen und neuen Enthüllungen interpretieren. Zwar gestehen sie ihm zu, dass er früher als andere im Vatikan das Ausmaß der Verbrechen erkannt und benannt hat. Sie erkennen an, dass er durch die Verlagerung der kirchlichen Strafverfahren an die strenge Römische Glaubenskongregation wenigstens einen kleinen Fortschritt bewirkt hat. Doch werfen sie ihm vor, dass dies viel zu spät, nur auf Druck hin und dann auch noch aus den falschen Motiven heraus geschehen sei.

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