Politik Mandelas Erbe steht auf dem Spiel

Botschaft auf der Wange: „Zuma muss stürzen“, fordert eine Südafrikanerin auf einer Demonstration gegen den Präsidenten.
Botschaft auf der Wange: »Zuma muss stürzen«, fordert eine Südafrikanerin auf einer Demonstration gegen den Präsidenten.

Fast täglich fordern Südafrikaner den Rücktritt ihres Präsidenten. Derzeit prüfen Richter, ob ein geheimer Abwahlantrag stattfinden darf.

Gewählt ist ein Präsident schnell, meist bereits an einem Tag. Ihn wieder loszuwerden, kann dagegen wesentlich zeitaufwendiger werden, wie die Südafrikaner in diesen Tagen, Wochen, Monaten und Jahren erfahren müssen. Obwohl Jacob Zuma seinen Kredit bei der Mehrheit der Bevölkerung längst verspielt hat, bleibt der Weltmeister im Skandalieren weiterhin in Amt und Würden. Fast täglich fordern Südafrikaner irgendwo im Land den Rücktritt des Präsidenten oder ziehen Oppositionsparteien vor Gericht, um gegen eine seiner Verfügungen oder Unterlassungen zu klagen. Derzeit brüten die Richter des Verfassungsgerichts über der Frage, ob die Abgeordneten beim bevorstehenden Misstrauensvotum im Parlament geheim abstimmen dürfen oder ihre Identität verraten müssen. Nach Auffassung der Opposition hängt davon ab, ob sich genügend Mitglieder des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) hinter den Abwahlantrag stellen, denn auch die Anzahl der Abgeordneten der Regierungspartei, die Zumas Rücktritt wollen, nimmt zu. Die Abtrünnigen setzen allerdings ihre Karriere und womöglich sogar ihr Leben aufs Spiel, wenn sie sich öffentlich gegen den Parteichef stellen. Selbst wenn die Richter eine geheime Wahl anordnen sollten, gilt Zumas Abwahl im Parlament als eher unwahrscheinlich. Das Ehrgefühl der Kameraden erlaube es ihnen nicht, mit der verhassten Opposition gemeinsame Sache gegen den eigenen Parteichef zu machen, heißt es in der ANC-Fraktion. Selbst wenn das Land dadurch immer tiefer in den Schlamassel gerät. Schon nach dem jüngsten Skandal Zumas – der Absetzung des angesehenen Finanzministers Pravin Gordhan – reagierten zwei der drei großen Ratingagenturen erwartungsgemäß unbarmherzig. Sie stuften ihre Investitionsempfehlung für das Kap der Guten Hoffnung zum ersten Mal seit der politischen Wende 1994 zum Ramsch-Status ab. Zumas Machenschaften – vor allem seine toxische Freundschaft mit der indisch-stämmigen Gupta-Familie – hat Südafrika bereits Milliarden von Dollar gekostet: durch korrupte Verträge, ausbleibende Investitionen, den Sturz der Landeswährung und immer teurer werdende Schulden. Statt dass Zuma & Co dadurch zu vorsichtigerem Vorgehen angehalten würden, nimmt ihre Kaltschnäuzigkeit immer mehr zu. Brian Molefe, ehemaliger Chef des staatlichen Stromkonzerns Eskom, der wegen seiner Nähe zu den Guptas den Hut nehmen musste, wurde wieder eingesetzt. Eigentlich wollte ihn Zuma sogar zum Finanzminister machen, hätte die eigene Partei ihn nicht daran gehindert. Molefes Bedeutung für Zuma hat mit dem angestrebten Kauf von sieben russischen Atomkraftwerken zu tun, von dem sich der Präsident und die Gupta-Familie fette Schmiergelder und Milliardengewinne versprechen. Denn gemeinsam mit einem Sohn des Präsidenten betreibt die indische Familie die einzige Uranmine am Kap. Dass ein Gericht den Regierungsbeschluss zum Kauf der Atomkraftwerke wegen Verfahrensmängeln kassierte, hindert Zumas Kabinett nicht daran, das Projekt weiter zu betreiben. Zuma hat noch ein halbes Jahr als Partei- und zwei Jahre als Staatschef Zeit, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen und auszuschließen, dass er nach seiner Amtszeit hinter Gittern verschwindet. Schließlich könnte jederzeit wieder ein Korruptionsverfahren mit 783 Anklagepunkten gegen ihn aufgenommen werden. Für seine Straffreiheit soll seine erste Frau Nkosazana Dlamini Zuma sorgen, die ihrem Ex-Mann schon der gemeinsamen vier Kinder wegen verpflichtet ist. Vor kurzem schlug der Präsident die ehemalige Kommissionspräsidentin der Afrikanischen Union offiziell als seine Nachfolgerin vor. Inzwischen erwachte Vizepräsident Cyril Ramaphosa aus seinem taktischen Tiefschlaf und bringt sich jetzt als Alternative gegen die Zumas in Stellung. Den Gewerkschaftsführer und später zu großem Reichtum geratenen Geschäftsmann wünschte sich schon Nelson Mandela als Nachfolger. Nun ist der Kampf um die künftige Parteiführung in vollem Gang. Hier die erweiterte Zuma-Familie und ihre Freunde, die ihren Griff nach den staatlichen Pfründen mit Phrasen wie der Forderung nach „radikaler wirtschaftlicher Transformation“ verbrämen. Dort die „Freunde“ der Verfassung, die eine moralische Erneuerung der Befreiungsbewegung verlangen. Beobachter sind überzeugt, dass der Konflikt bis zum Parteitag im Dezember immer härter werden wird: Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als das Erbe Nelson Mandelas.

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