Politik Leitartikel: Pakt mit dem Teufel

Die Taliban sind gewalttätige Gotteskrieger. Aber ohne ihre Mitwirkung wird es in Afghanistan keinen Frieden geben. Dass die USA allein auf die

militärische Karte setzen, ist ein Fehler. Eine politische Lösung muss her. Der endlose Krieg hat Generationen brutalisiert. Gewalt, Drogen und

Kriminalität haben das Land ruiniert.

Nach dem jüngsten Anschlag in Kabul hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine politische Lösung für den Dauerkonflikt in Afghanistan gefordert. Selbst in Washington weiß man inzwischen, dass ein militärischer Sieg über die Taliban unmöglich ist. Dennoch wird Präsident Donald Trump von seinen Militärs zu einer Verstärkung der US-Präsenz am Hindukusch gedrängt. Die ehemaligen Afghanistan-Generäle Jim Mattis, jetzt Verteidigungsminister, und Herbert McMaster, inzwischen nationaler Sicherheitsberater, hoffen, dass weitere 3000 bis 5000 Mann das Blatt wenden, zumindest aber Zeit gewinnen können, um dann aus einer stärkeren Position heraus an den Verhandlungstisch zu gehen. Dass McMaster seinen Plan durchsetzt, ist nicht unwahrscheinlich. Es ist allseits bekannt, wie wenig der US-Präsident die Gemengelage am Hindukusch durchschaut und wie stark er auf seine Militärs hört. Es gibt in Trumps Umfeld aber auch mahnende Stimmen. Diese fragen, wie die 13.000 westlichen Ausbilder, selbst wenn sie um ein paar Tausend Mann verstärkt würden, das schaffen sollen, was zuvor 140.000 Soldaten nicht erreicht haben: die Taliban besiegen und das Land befrieden. Entsprechend zurückhaltend ist deshalb auch die Nato, die von Trump geforderten Truppen und Geldmittel beizusteuern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat derartigen Plänen schon eine klare Absage erteilt. Nach 16 Jahren Krieg und trotz Militärausgaben von rund einer Billion Dollar sind die Taliban offenbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Wer jetzt auf Zeit spielt, riskiert, kostbare Zeit zu verlieren, weil sich immer mehr radikale Gruppen in Afghanistan einnisten, wie die Terrormiliz IS oder das blutrünstige pakistanische Haqqani-Netzwerk, das nicht nur für den jüngsten Bombenanschlag in Kabul verantwortlich gemacht wird. Bleibt deshalb nur der Pakt mit dem Teufel in Gestalt der Taliban, um dem Blutvergießen ein Ende zu machen. Die Taliban scheinen derzeit das kleinere Übel zu sein. Auch wenn nicht vergessen werden darf, wie in den 90ern die von Pakistan ausgeschickten Glaubenskrieger über Afghanistan herfielen, wie sie Frauen unter Burkas verschwinden ließen und „Ungläubige“ ermordeten. Natürlich werden die Taliban nicht über Nacht auf einen Versöhnungsprozess einschwenken oder gar die Demokratievorstellungen des Westens akzeptieren. Aber ihre Anerkennung als politische Kraft könnte eine Grundlage sein, auf der sich wenigstens einige der bisherigen freiheitlichen Errungenschaften retten ließen. Schon in den 70er Jahren war das Land arm. Aber es konnte seine zehn Millionen Einwohner noch ernähren, denn es herrschte Ruhe, fast alle hatten Arbeit, und Kabul war eine blühende Stadt und ein wichtiges Handelszentrum. Doch seit dem Einmarsch der Sowjettruppen und der Einmischung verschiedenster ausländischer Mächte ging es bergab. Der endlose Krieg hat Generationen brutalisiert. Gewalt, Drogen, Kriminalität und Korruption haben das Land in den Ruin getrieben. Die Afghanen wünschen sich nichts mehr als Frieden. Den werden sie aber nur bekommen, wenn die Mächtigen in Kabul, die ihre Taschen mit Milliarden Dollar gefüllt haben, nicht länger vom Ausland geschützt werden. Diejenigen, die die Taliban unterstützen – also China und Russland, vor allem aber Pakistan sowie Trumps neue Freunde in Saudi-Arabien – müssen Druck auf die Verfechter des islamischen Mittelalters ausüben, damit sie sich an den Verhandlungstisch setzen.

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