Österreich Korruptionsvorwürfe: Chefredakteure im Zwielicht
Dass dem inzwischen gefallenen Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP sein steiler Aufstieg auch mit Hilfe korrupter Medien gelang, die für reichlich Inseratenaufträge geschönte Umfragen und Hurra-Artikel veröffentlichten, ist mittlerweile bekannt. Kurz musste als österreichischer Regierungschef im Oktober 2021 zurücktreten, gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Korruptionsverdachts.
Dass jetzt aber auch seriöse Medien der Vorwurf der Verbrüderung mit der Politik trifft, ist neu. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die im Besitz von über 300.000 Chats von Personen innerhalb der ersten Regierung Kurz aus ÖVP und rechter FPÖ (Dezember 2017 bis Mai 2019) und deren Umfelds ist, hat jetzt daraus ein 166 Seiten starkes Konvolut präsentiert. Im Fokus stehen zwei Chefredakteure, die daraufhin bis zur Aufklärung der Sachlage von ihren Posten suspendiert wurden.
Entlassung gefordert
Da ist Matthias Schrom, bislang Nachrichtenchef des öffentlich-rechtlichen Senders ORF, der unter Dauerbeschuss der Rechtspartei FPÖ stand, aber zum damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache einen guten Draht hatte. Strache beschwerte sich über vermeintlich linke Redakteure in ORF 1 und forderte indirekt deren Entlassung. Schrom antwortete kleinlaut, das könne er nicht: „Du weißt, ich bin nur für ORF 2 zuständig.“ Er machte Strache aber Hoffnung: Die vom ersten Kanal würden schon noch merken, „dass sie auch nicht unter dem Radar sind“.
Der zweite, bislang untadelige Journalist ist Rainer Nowak, Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, die sich selbst mit dem Prädikat „führende Tageszeitung Österreichs“ schmückt. Nowak wollte mit Hilfe der Kurz/Strache-Regierung Generaldirektor des ORF werden. Sein politischer Kumpan war Thomas Schmid, damals Generaldirektor im Finanzministerium und Intimus des später gefallenen ÖVP-Hoffnungsträgers Kurz. Als Schmid zum Chef der Staatsholding Öbag befördert wurde, wozu ihn „Die Presse“ wohlwollend begleitet hatte, gratulierte ihm Nowak mit dem Wunsch: „Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen.“ Schmid antwortete: „Unbedingt!!!“
Schrom hat Strache zuliebe allerdings keine vermeintlich linken Redakteure gefeuert, Nowak wurde auch nicht ORF-Generaldirektor. Beide versicherten zudem, ihr Verhältnis zu führenden Politikern habe sich nicht auf die Berichterstattung und die Unabhängigkeit der Redaktionen ausgewirkt.
„Es ist Medienkorruption“
Das sieht zumindest der ORF-Redaktionsrat in einer Reaktion wesentlich differenzierter: Schroms Nachrichten an Strache hätten „den Eindruck verstärkt, die Politik regiert den ORF und es gibt Führungskräfte, die das tatkräftig unterstützen“. Die kommende Aufklärung müsse dieses verheerende Bild klar widerlegen. Die Styria Media, Eigentümerin der „Presse“, hält vorerst noch an Nowak fest, bis die laufende Untersuchung abgeschlossen ist.
Beide Chefredakteure gaben umgehend ihr Fehlverhalten zu, wenngleich halbherzig und floskelhaft. So entschuldigten sich Schrom und Nowak, ehe ihre Funktionen ruhend gestellt wurden, bei ihren Redaktionen sowie Lesern respektive Zuhörern fast wortgleich für die Tonalität und die unangemessene Nähe zur Politik. Nowak ließ noch vernehmen, es sei „peinlich und blöd“ gewesen. Als hätte er nur gegen den Anstand verstoßen. „Es ist Medienkorruption und nichts anderes“, stellte indes Florian Klenk, Jurist und Chefredakteur der investigativen Wiener Stadtzeitung „Der Falter“, in einer TV-Runde klar.