Politik Kommentar: Der Heilsbringer

Die konservative österreichische Volkspartei ÖVP macht Sebastian Kurz zum Chef und gibt ihm viel Macht. Dafür soll er sie im Herbst zum Sieg führen.

Nach seiner Nominierung im Frühjahr wählten auf einem Parteikongress am Wochenende 98,7 Prozent der Delegierten den 30-jährigen Wiener Sebastian Kurz nun offiziell zum neuen Obmann der konservativen Volkspartei (ÖVP). Es ist schon eigenartig, wie gestandene Landesfürsten und in Würde ergraute Funktionäre sich einem halb so alten Jungspund unterwerfen, der zwar ein außergewöhnliches politisches Talent ist, dem aber altersbedingt die nötige politische Reife fehlt. Die Partei hat die von Kurz geforderten Durchgriffsrechte abgesegnet, in denen politische Beobachter autoritäre Züge erkennen. So kann er als Bundesobmann eine eigene Kandidatenliste aufstellen und auch parteiferne Kandidaten nominieren. Bei der Erstellung der Listen für Bundeswahl und Europawahl hat Kurz die alleinige Kompetenz. Bei Bundesländerlisten behält er sich ein Vetorecht vor. Auch ein Regierungsteam bestellt allein der Obmann, ebenso die Spitzenfunktionäre. Nicht zuletzt sicherte sich Kurz die alleinige Kompetenz für politische Inhalte. Und: Nicht die ÖVP tritt zur Wahl an, sondern die „Bewegung Sebastian Kurz“. Die einzige Erklärung für ihre völlige Unterwerfung, der die Delegierten mit frenetischem Applaus zustimmten: Kurz ist die letzte Rettung einer einstmals großen Staatspartei ÖVP, die ohne ihn bei der Neuwahl im Herbst dem Untergang sehr nahe gekommen wäre. Der Kurz-Effekt ist in Umfragen bereits ablesbar: Derzeit ist er der erste Anwärter auf den Kanzlerposten.

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