Politik Klimawandel: Von Zecken und Zulieferbetrieben

Australien? Kenia? – Nein, im niedersächsischen Schwüblingsen verdorrt im Sommer 2018 der Mais.
Australien? Kenia? – Nein, im niedersächsischen Schwüblingsen verdorrt im Sommer 2018 der Mais.

Der blaue Himmel mit der stechenden Sonne in den Monaten Mai bis September hat den Deutschen einen Vorgeschmack darauf gegeben, was der Klimawandel bedeuten könnte. Am heftigsten betroffen waren die Landwirte im Norden und Osten der Republik. Doch auch die Industrie bekam die Auswirkungen der Hitze, die gekoppelt war mit einer lang anhaltenden Dürre, zu spüren. Weil das Flusswasser zu warm wurde und ein Fischsterben drohte, konnten weder Fabriken noch Atom- und Kohlekraftwerke ihr Kühlwasser einfach in die Gewässer zurückleiten. Die Hitze und dazu die anhaltende Dürre im Sommer 2018 wirkten sich in Deutschland, ja in ganz Europa stellenweise gravierend aus. Die Folgen waren bei so einem Wetter aber auch erwartbar. Ein fortschreitender Klimawandel zieht freilich weitere Veränderungen nach sich. Experten, die sich mit Klimafolgen beschäftigen, führen eine ziemlich bunte Mischung an. Zu den Folgen, die sich schon abzeichnen, denen für die Zukunft allerdings eine ganz andere Durchschlagskraft zugetraut wird, zählen: Wirtschaft und Industrie: Stärker als die direkten Auswirkungen von Hitzewellen dürften für die heimische Wirtschaft die indirekten Folgen des Klimawandels ins Gewicht fallen. Unter anderem, weil deutsche Firmen große Teile ihrer Wertschöpfungskette an Zulieferer ausgelagert haben. Wird die Produktion im Ausland durch Naturkatastrophen gestört, kann dies die stark import- und exportorientierte deutsche Volkswirtschaft stärker treffen als Klimaschäden vor Ort. Auch deswegen, weil die Unternehmen auf pünktliche Lieferung von Komponenten angewiesen sind. Fehlt ein wichtiges Teil, stehen die Bänder in den Fabriken still. Ein Beispiel, wie so etwas ablaufen kann, sind die Überschwemmungen in Thailand im November 2011. Das asiatische Land mit der Hauptstadt Bangkok war damals der zweitgrößte Festplatten-Hersteller der Welt. Weil allerdings aufgrund der Fluten der Nachschub stockte, gerieten PC-Hersteller auf der ganzen Welt in Schwierigkeiten. Energieverbrauch: Wegen der Gluthitze der vergangenen Sommermonate haben viele Unternehmen und Privathaushalte Klimaanlage installiert oder sie planen, dies zu tun. Wissenschaftler in ganz Europa rechnen deshalb mit einem zunehmenden Stromverbrauch durch Kühlgeräte (was, nebenbei bemerkt, dazu führen könnte, dass noch mehr Klimagase entstehen). Ihre Prognose: Der Höhepunkt des Energieverbrauchs wird sich von den Winter- in die Sommerzeit verschieben. Auch rechnen einige der Experten damit, dass auf mittlere Sicht im hitzegeplagten Süden Europas mehr Strom verbraucht wird als im gemäßigten Norden. Heute ist es noch umgekehrt. Was das Bauen und Renovieren angeht, so sind sich Architekten und Klimaforscher sicher, dass der sommerliche Schutz vor Wärme künftig die gleiche Beachtung finden werde wie der Wärmeschutz für Gebäude in der Heizungsperiode. Verkehr: Auch die für den Industriestandort Deutschland so immens wichtige Verkehrsinfrastruktur ist nicht immun gegen klimatische Veränderungen. So werden Überschwemmungen und Unterspülungen von Straßen und Schienenwegen genauso befürchtet wie der eingeschränkte Schiffsverkehr auf den Binnengewässern aufgrund von Niedrig- oder Hochwasser. Was witterungsbedingte Schäden an Straßen angeht, so erwarten Forscher mit Blick auf die Zukunft, dass hitzebedingte Schäden – und nicht etwa Frostschäden – zunehmen werden. Dies, so betonen sie, sei regional aber unterschiedlich. Krankheitsüberträger: Immer wieder entdecken Biologen Mücken- oder Zeckenarten, die bisher in deutschen Landen nicht vorgekommen sind. Diese gelangen meist durch den internationalen Warenverkehr zu uns; ihr Überleben nördlich der Alpen wird vor allem durch den Anstieg der Temperaturen im Winter möglich. Besorgniserregend finden Wissenschaftler diese Entwicklung, weil Arten wie die Asiatische Tigermücke oder wärmeliebende Zecken der Gattung Hyalomma andere Krankheitserreger (Viren oder Bakterien) mit sich herumschleppen als heimische Arten. Durch diese Blutsauger geraten Menschen in Gefahr, sich mit tropischen Krankheiten wie Fleckfieber oder Dengue zu infizieren. Noch ist unklar, wie groß die Gefahr ist. Migration: Als besonders anfällig gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels gelten der Mittelmeerraum und der Nahe Osten. Dort ist schon heute sauberes Wasser relativ knapp. Manchmal ist dies aber auch nur während der Sommermonate der Fall – was dann die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige, Landwirtschaft und Tourismus, bedroht. Weil insbesondere in den Ländern des Nahen Ostens die Bevölkerungszahl steigt, wird dort schon aus diesem Grund absehbar mehr Wasser verbraucht werden. Dazu kommen menschenfeindliche Rekordtemperaturen: In Ländern wie Irak sind mancherorts im Sommer schon Werte um die 50 Grad Celsius gemessen worden. Als Folge könnten Einwohner sich gezwungen sehen, ihre unbewohnbar werdenden Gebiete zu verlassen. Auch Kriege um wertvolle Wasserressourcen werden befürchtet. Die dadurch entwurzelten Menschen könnten sich bei ihrer Flucht auch auf den Weg nach Norden machen. In das über Land erreichbare Europa, nach Deutschland.

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