Leitartikel Klimaschutz: Das CO2 muss unter die Erde

Schon vor 13 Jahren gab es Proteste gegen erste Überlegungen, CO2 unter dem Meeresboden einzulagern.
Schon vor 13 Jahren gab es Proteste gegen erste Überlegungen, CO2 unter dem Meeresboden einzulagern.

Die Europäische Kommission hat ihre Pläne zum Einfangen und Speichern des Treibhausgases Kohlendioxid vorgelegt. Dies ist ein neuer Ansatz. Das Potenzial ist groß.

Die Politik, gerade in Europa, erscheint wie zweigeteilt. Da sind auf der einen Seite Kräfte am Werk, die das Lied von nationaler Oberhoheit singen, die mit dem Austritt aus der Europäischen Union kokettieren, die „Weniger Klimaschutz!“ predigen – und am liebsten alles, was damit zu tun hat, blockieren würden.

Auf der anderen Seite ziehen Unternehmen gerade Batteriefabriken in der EU hoch, damit mit deren Akkus – und nicht etwa mit chinesischen – die zukünftigen E-Autos ausgestattet werden können. Wind- und Solarkraftwerke werden gebaut, die Stromnetze der EU-Staaten grenzüberschreitend gekoppelt.

Das nächste Kapitel

Jetzt schlägt Brüssel das nächste Kapitel beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft auf. Thema: Wohin mit Millionen Tonnen Kohlendioxid, die jährlich ausgestoßen werden? Angesichts der Erderhitzung ist es nicht länger möglich, Treibhausgase einfach in die Erdatmosphäre zu pusten. Daher gerätt CCS, wie die Abkürzung für die Technologie des „Einfangens und Speicherns von Kohlendioxid“ lautet, in den Fokus. Klar wäre es besser, wenn überhaupt kein CO2 mehr bei der Produktion und im alltäglichen Leben entstünde. Doch bis es soweit ist, wird es noch dauern – und in manchen Industriezweigen ist die Herstellung von Produkten ohne CO2 überhaupt nicht möglich, siehe Zementherstellung.

Daher wurde über CCS auch auf den letzten Welt-Klimakonferenzen verstärkt diskutiert. Denn nur durchs Einfangen von CO2 an der Quelle (etwa bei einer Fabrik) lassen sich die Klimaziele noch einigermaßen erreichen. Für den nächsten Schritt wird sogar ans technische Herausfiltern von bereits vorhandenem CO2 aus der Atmosphäre in großem Stil gedacht. Denn dessen Konzentration steigt weiter an.

Transport in die Nordsee?

Allein mit einem steigenden Preis auf den CO2 -Ausstoß, womit klimaschädliches Verhalten „bestraft“ wird, ist die Reduktion von Treibhausgasen nicht zu schaffen. Auch, weil der Preis beim Handel mit Verschmutzungsrechten in ein paar Jahren schwindelerregende Höhen erreichen könnte – was nicht nur die Wirtschaft in die Bredouille brächte, sondern auch gesellschaftliche Unruhen auslösen könnte.

Apropos Unruhe: Hatte nicht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor über einem Jahr angekündigt, bald eine Strategie für den Umgang mit CO2 , das ja auch als Grundstoff beispielsweise für die chemische Industrie wiederverwertet werden kann, vorzulegen? Zur Stunde sind hier weiter viele (juristische) Fragen offen. Etwa: Soll CO2 auch innerhalb Deutschlands unterirdisch gespeichert werden? Darf das Treibhausgas zu leeren norwegischen Gasfeldern in der Nordsee transportiert und dort, also im Ausland, eingelagert werden?

Klingt exotisch, ist bald Realität

Dass die deutsche CCS-Strategie nicht vorliegt, hat wohl damit zu tun, dass Berlin die jetzige EU-Richtlinie abgewartet hat. Offenbar hat man aus den Querelen ums deutsche Gebäudeenergiegesetz gelernt. Über das „Heizungsgesetz“ tobte ja monatelang ein politischer Kampf, Bürger fühlten sich vergrätzt – und nur wenig später einigte man sich in der EU auf eine Gebäuderichtlinie, die ähnlich gestrickt ist wie das deutsche Gesetz.

CCS und verwandte Technologien, das Einfangen von Treibhausgasen also, all dies klingt exotisch und ziemlich weit weg. Aber genau so war es auch vor 20 Jahren, als der Handel mit Verschmutzungsrechten Gestalt annahm. Heute ist das Alltag. Genau so wird es mit den verschiedenen CCS-Formen kommen. Allerdings ist CCS keine Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Für unvermeidbaren Emissionen aus Industrieanlagen gibt es jedoch keine Alternative.

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