Politik Kalender: Polen schafft im Januar 1949 östlich von Oder und Neiße Fakten

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Inzwischen hat sich der Streit beruhigt. In den deutsch-polnischen Grenzregionen ist im Alltag in der Regel nichts mehr zu spüren vom Jahrzehnte langen Gezerre um die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens. Wer beispielsweise auf der Ostsee-Insel Usedom vom Seebad Ahlbeck den Strand entlang nach Osten spaziert, ist – ehe er es sich versieht und völlig unbemerkt – in Polen. Die Deutschen gehen gern und billig einkaufen auf dem „Polenmarkt“ in Swinemünde, und die polnischen Handwerker sind fest gebucht bei ihren Nachbarn jenseits der Grenze. Doch das war nicht immer so. Die Festlegung der polnischen Westgrenze entlang der Flüsse Oder und Neiße hat das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen auf Jahrzehnte vergiftet. Mit der Eingliederung der ehemals deutschen Gebiete östlich dieser Linie in sein Staatsgebiet schuf Polen am 11. Januar 1949 Fakten.

Auf der Konferenz vor Teheran wurde die Westverscheibung Polens beschlossen

Ausgangspunkt war die Konferenz der alliierten Kriegsgegner Nazideutschlands in Teheran im Jahr 1943, als der sowjetische Diktator Stalin Anspruch auf die von Moskau annektierten ostpolnischen Gebiete erhob. Die Westmächte, allen voran der britische Premier Winston Churchill, signalisierten Entgegenkommen. Polen sollte dafür nach Westen verschoben werden, bis zu den Flüssen Oder und Neiße. Deutschland verlor Ostpreußen, Pommern, die Kurmark und Schlesien. Und genauso geschah es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Menschen aus Ostpolen mussten ihre Heimat frei machen für die Russen, die Deutschen wurden aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße vertrieben, um Platz zu machen für die Polen aus dem Osten – Millionen Menschen wurden somit ihrer Heimat und ihres Besitzes beraubt. Während die DDR als „sozialistischer Bruderstaat“ die Westgrenze Polens bereits 1950 anerkannte, bestand die Bundesrepublik darauf, dass die endgültigen Grenzen Deutschlands erst in einem Friedensvertrag festzulegen sind, so wie es das Potsdamer Abkommen von 1945 vorsah.

Erst 1972 nahmen die Bundesrepublik und Polen diplomatische Beziehungen auf

Während die deutschen Vertriebenen in den Folgejahren mit Nachdruck die Rückgabe ihrer verlorenen Heimat und des enteigneten Besitzes forderten, herrschte bei den Polen in den ehemals deutschen Gebieten große Angst, sie könnten ein zweites Mal ihrer Häuser, ihres Grundes und ihrer Existenz beraubt werden. Das Verhältnis war so belastet, dass es bis 1972 dauerte, bis die Bundesrepublik und Polen diplomatische Beziehungen aufnahmen. Erst im Zuge der Verhandlungen zur Wiedervereinigung 1990 brach das Eis. Polen garantierte die Rechte der deutschen Minderheit im Land, und die Bundesrepublik erkannte die faktisch bereits seit mehr als 40 Jahren bestehende polnische Westgrenze an – eine Grenze, die nach dem EU-Beitritt Polens 2004 viel Trennendes verloren hat. büt

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