75. Geburtstag Joschka Fischer: „Kriegstreiber“ oder Realist?

Mai 1999: Der damalige Bundesaußenminister Fischer wird auf einem Grünen-Parteitag von einem Farbbeutel getroffen.
Mai 1999: Der damalige Bundesaußenminister Fischer wird auf einem Grünen-Parteitag von einem Farbbeutel getroffen.

In seinem politischen Leben hat Joseph „Joschka“ Fischer für zwei ikonische Bilder gesorgt. Bei einem hat er es darauf angelegt; das zweite war unfreiwillig und schmerzhaft.

Zwei Fotos verraten viel von dem, für was der Grünen-Politiker Fischer stand, der es vom einstigen Straßenkämpfer in unruhigen Studentenzeiten Ende der 1960er Jahre zum Bundesaußenminister in der rot-grünen Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder brachte (1998 bis 2005).

Das erste Bild zeigt einen jugendlichen Fischer, der im hessischen Landtag lässig den Amtseid als Landesumweltminister ablegt. In Turnschuhen. Das war 1985 absolut unüblich. Die Botschaft lautete: Hier beginnt eine neue Zeit, weg mit verkrusteten Strukturen! Ironischerweise trug derselbe Fischer später als Bundesminister gerne feinen Zwirn, bevorzugt als konservativen Dreiteiler.

Gegen den Kosovo-Einsatz

Das zweite Bild, das sich ins öffentliche Gedächtnis eingebrannt hat, zeigt das schmerzverzerrte Gesicht Joschka Fischers, wie er sich ans Ohr greift. Dort hat ihn ein mit blutroter Farbe gefüllter Beutel getroffen, das Trommelfell ist geplatzt. Geschleudert hatte den Beutel auf dem Bielefelder Grünen-Sonderparteitag im Mai 1999 ein Delegierter. Der Protest richtete sich gegen den damaligen Kosovo-Einsatz der Nato.

Der Werfer titulierte Fischer, der den ersten Einsatz deutscher Soldaten im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg mit herbeiführte, als „Kriegsverbrecher“. Denn der Akt war nicht vom UN-Völkerrecht gedeckt. Fischer seinerseits argumentierte mit dem Schutz der Menschen im Kosovo, die es vor serbischen Übergriffen zu retten gelte.

„Nie wieder Völkermord“

Heute, in Zeiten des Ukraine-Krieges, wundern sich nicht wenige über die harte Haltung der amtierenden Grünen-Minister gegenüber Russland und ihre Unterstützung für Waffenlieferungen an die Ukraine. Doch die Grünen hörten bereits vor 24 Jahren auf, eine pazifistische Partei sein. Auf diesen Kurs führte sie Joschka Fischer. Seine damalige Losung „Nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus“ trägt bis heute.

Die Grünen hätte es damals wegen des Streits um die richtige Haltung fast zerrissen. Fischer, der nie offiziell an der Spitze der Partei stand und sie dennoch jahrelang prägte, legte sich durchaus genussvoll mit dem linken (pazifistischen) Parteiflügel an. Nach dem Verlust der rot-grünen Mehrheit im Bundestag schied er allerdings schnell aus dem politischen Tagesgeschäft aus. Auch, weil er keinen Bock mehr hatte auf innerparteiliche Streitereien.

Am 12. April feiert Fischer seinen 75. Geburtstag. Aus dem „Turnschuh-Minister“ ist ein gut verdienender Lobbyist, Berater und Autor geworden. Zu den Themen „Asien, Europa, Geopolitik, Globalisierung, Klimawandel/Umweltschutz, Nachhaltigkeit, USA“ kann man ihn heute noch als Redner bei einer Agentur buchen.

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