Politik Johnson: „Russland hat die Möglichkeiten und das Motiv“

Jetzt ist es von UN-Experten bestätigt: Bei dem im Fall Skripal verwendeten Nervengift handelt es sich um einen chemischen Kampfstoff, der höchstwahrscheinlich aus Russland stammt. Die „Organisation für das Verbot chemischer Waffen“ (OPCW) veröffentlichte gestern einen Kurzbericht, der die Sicht der britischen Regierung stützt.

Die OPCW in Den Haag äußerte sich in dem Kurzbericht zwar nicht öffentlich dazu, wer am 4. März den Anschlag auf Sergei und Julia Skripal im britischen Salisbury verübt haben könnte. Es hieß aber: Die „Untersuchungsergebnisse Großbritanniens in Bezug auf die Identität der toxischen Chemikalie“ hätten sich bestätigt. Ein vollständiger Bericht, der geheim ist, soll den Unterzeichnerstaaten der OPCW zur Verfügung gestellt werden. Großbritanniens Premierministerin Theresa May hatte Russland beschuldigt, in Salisbury ein der Nowitschok-Gruppe zugehörendes Gift eingesetzt zu haben, und daraufhin 23 russische Diplomaten ausgewiesen. Als sich daraufhin knapp 30 weitere Länder solidarisch erklärten, führte das zu einem neuen Tiefpunkt in den Beziehungen Russlands zum Westen. OPCW-Mitarbeiter hatten vor drei Wochen in Salisbury Proben sichergestellt und in vier verschiedenen Laboratorien untersuchen lassen. Alle kamen nun zu dem gleichen Resultat: Bei dem Kampfstoff handele es sich um ein Gift „von hoher Reinheit“. Damit sieht sich Großbritannien in einem anderen Punkt bestätigt, denn Theresa May hatte vor dem Unterhaus von einem „waffenfähigen Kampfstoff“ gesprochen und daraus geschlossen, dass nur ein Staat zu dessen Produktion fähig wäre. Ein weiteres Indiz, das auf Russland hindeutete. Allerdings benannten die Chemiewaffenkontrolleure vom OPCW die Substanz nicht mit „Nowitschok“, wie das May getan hatte. Zum einen, weil Nowitschok, russisch für Neuankömmling, nicht für eine einzelne Chemikalie, sondern für eine Gruppe von Nervengiften steht. Zum anderen will man es nicht öffentlich machen. Wie es zum Endes des OPCW-Statements heißt, bekommen nur Diplomaten die chemische Formel des verwendeten Kampfstoffs zu sehen: „Der Name und die Struktur der identifizierten toxischen Chemikalie sind im vollständigen geheimen Bericht des Sekretariats enthalten.“ Die russische Regierung wies alle Verdächtigungen gegen sie im Fall Skripal erneut zurück. Russland habe keine anderen Kampfstoffe besessen als jene, die der OPCW gemeldet worden seien, sagte der stellvertretende Industrieminister Georgi Kalamanow in Moskau. Sie seien alle bis 2017 unter Aufsicht der OPCW vernichtet worden, bekräftigte er. Der britische Außenminister Boris Johnson sagte hingegen: „Es kann keinen Zweifel geben über das, was eingesetzt wurde, und es gibt keine alternative Erklärung, wer verantwortlich ist – nur Russland hat die Möglichkeiten, das Motiv und die Vorgeschichte.“ Er kündigte eine Krisensitzung des OPCW für den nächsten Mittwoch an, auf der man Russland zur Rede stellen wolle. Auch der UN-Sicherheitsrat solle sich mit dem Thema kommende Woche befassen. Währenddessen hat Julia Skripal, die sich an einem geheimen Ort aufhält, geäußert, dass sie keinen Kontakt mit der russischen Botschaft in London haben wolle. Moskau hatte sich beschwert, keinen Zugang zu ihr zu erhalten. Julia Skripal erklärte weiter, ihr Vater sei „immer noch schwer krank“. Sergei Skripal, ein Oberst des russischen Militärgeheimdiensts, war 2006 in Russland wegen des Vorwurfs der Spionage für Großbritannien zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Im Zuge eines Gefangenenaustauschs kam er 2010 nach Großbritannien.

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