Politik Hamburg: Hat die Polizei die Lage falsch eingeschätzt?

„Niemals lässt die Hamburger Polizei die Bevölkerung dieser Stadt im Stich, niemals“, versichert Innensenator Andy Grote.
»Niemals lässt die Hamburger Polizei die Bevölkerung dieser Stadt im Stich, niemals«, versichert Innensenator Andy Grote.

Anfangs wurde die Polizei beim G-20-Gipfel wegen ihrer angeblich zu harten Linie kritisiert. Nach den Krawallen lautet der Vorwurf, sie habe zu zögerlich reagiert. Ein Versuch, Antworten auf einige Fragen zu geben:

Die Polizei hat den Tagungsort und die Elbphilharmonie schützen können – hat sie dafür andere Teile der Stadt preisgegeben?

Diesen Vorwurf von Anwohnern im Schanzenviertel und der Opposition weisen Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Andy Grote, Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und Einsatzleiter Hartmut Dudde zurück. „Niemals lässt die Hamburger Polizei die Bevölkerung dieser Stadt im Stich, niemals“, so Grote. Die Polizei habe am Freitagabend im Schanzenviertel nicht gleich vorrücken können, weil sie befürchtete, in einen Hinterhalt zu geraten. Es habe Informationen gegeben, wonach Autonome Gehwegplatten und Brandsätze von Hausdächern auf Beamte werfen wollten. Leib und Leben der Polizisten sowie von Demonstranten und Unbeteiligten seien in Gefahr gewesen. Auf einer Wärmebildaufnahme der Polizei ist zu sehen, wie ein Mann vom Hausdach einen Brandsatz auf einen Wasserwerfer schleudert, ohne dass die Brandflasche zündet. Anti-Terror-Einheiten stürmten das Dach und nahmen 13 Personen fest. Unterdessen kam es im Schanzenviertel zum Bau von Barrikaden, zu Randale und Plünderungen. Am Freitagmorgen zogen Gewalttäter auch durch den Stadtteil Altona eine Spur der Verwüstung. Sie kamen laut Dudde aus einem Protestcamp. Die Polizei stellte sich ihnen in den Weg und nahm 52 von ihnen fest. Die übrigen seien entkommen und hätten in schwer zu kontrollierenden Kleingruppen randaliert. Gab es nur Angriffe auf Sachen oder auch auf Menschen? Polizisten wurden in großer Zahl angegriffen. Sie wurden mit Flaschen, Steinen und Stangen beworfen, sogar mit Stahlkugeln beschossen. Zwei Hubschrauberpiloten wurde mit Laserpointern in die Augen geleuchtet. Es sei deswegen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags gegen einen Verdächtigen erlassen worden. Wie viele Verletzte gab es? Nach Angaben von Einsatzleiter Dudde wurden 476 Beamte verletzt. Zur Anzahl der verletzten Demonstranten und Unbeteiligten machte er keine Angaben. Verletzte Demonstranten wendeten sich oft nicht an Feuerwehr oder Krankenhäuser. Eine Demonstrantin sei von einem Flaschenwurf getroffen und am Kopf verletzt worden. Nach Angaben der Feuerwehr wurden elf Demonstranten auf der Flucht vor der Polizei schwer verletzt. Bei dem Versuch, mit einer größeren Gruppe in Hamburg-Bahrenfeld über eine Mauer mit Absperrgitter zu klettern, stürzten sie aus etwa vier Metern Höhe ab, weil das Gitter unter der Last zusammenbrach. Wurde die Gefahr von Ausschreitungen unterschätzt? Die Äußerungen des Innensenators Grote legen diesen Eindruck nahe. Die Polizei habe mit einem erheblichen Gewaltpotenzial gerechnet und sich auf alle erwartbaren Szenarien vorbereitet, sagt er. Aber: „Dieses Ausmaß an entfesselter, hemmungsloser, brutalster Gewalt (…), das ist etwas, was wir in dieser Konkretheit und in dieser kriminellen Qualität, glaube ich, nicht erwartet hatten.“ Wie erklärt sich die vergleichsweise geringe Anzahl von Festnahmen? Einsatzleiter Dudde hält die Anzahl von 186 Fest- und 225 Ingewahrsamnahmen für sehr hoch. Es seien 82 Festgenommene vor den Haftrichter gekommen, 37 Haftbefehle erlassen worden. Eine solche Bilanz habe es nach einem Polizeieinsatz in Hamburg noch nie gegeben. Es hätten noch mehr sein können, wenn die Gewalttäter nach der Tat nicht häufig die Kleidung gewechselt hätten. Aufnahmen einer Wärmebildkamera aus einem Polizeihubschrauber zeigen, wie sich Steinewerfer hastig umziehen. Woher stammen die Gefassten? 132 der 186 Festgenommenen sind nach Angaben Duddes Deutsche. Acht seien Franzosen, sieben Italiener, die übrigen haben andere Nationalitäten. 158 der 225 in Gewahrsam Genommenen sind Inländer, 20 Italiener, 17 Franzosen. Wie groß sind die Chancen, Täter im Nachhinein zu ermitteln? Die Polizei habe verdeckte Maßnahmen getroffen, der Staatsschutz ermittele noch, sagte ein Sprecher. Die Polizei bat Zeugen, die Straftaten mit dem Handy gefilmt haben, ihre Aufnahmen auf ein Hinweisportal der Polizei im Internet hochzuladen. Schon am Samstag gingen mehr als 1000 Dateien ein.

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