Politik Frankreich beweint den Tod eines Helden

Zu Tausenden drängten sich die Pariser am Straßenrand. In strömendem Regen nahmen sie gestern Abschied vom Helden der Nation. Dem Gendarmen Arnaud Beltrame gaben sie das letzte Geleit, der sich fünf Tage zuvor bei den Terrorattacken von Trèbes anstelle einer Geisel in die Gewalt des islamistischen Attentäters begab und sein Leben ließ.

Im zuckenden Blaulicht einer Motorradstaffel rollt der Wagen mit den sterblichen Überresten des 44-jährigen Polizeioffiziers das Seine-Ufer entlang, nähert sich dem Ehrenhof des Invalidendoms, wo Staatschef Emmanuel Macron das Wort ergreifen wird. Ein Mann rückt ein Absperrgitter zur Seite, wirft dem Trauerzug eine Rose hinterher. Unter den am Gitter Zurückgebliebenen ist vom „heutzutage so seltenen, von Beltrame vorgelebten Heldentum“ die Rede. Olivier Anfry, ein ehemaliger Kollege des Ermordeten, erzählt, Beltrame habe schon immer herausgeragt, schon immer zu den Besten gehört. „Man spricht inzwischen nur noch von ihm, nicht mehr von dem Terroristen, das tut gut“, sagt Anfry. Vor der goldenen Kuppel des Invalidendoms lässt Macron den Tag Revue passieren, an dem Beltrame sein Leben für ein anderes hingab. Der Präsident beschwört den Augenblick herauf, da der Polizeioffizier beschloss, sich in die Hand eines Terroristen zu begeben. Als Beltrame den vom Islamisten angegriffenen Supermarkt betreten, seine Waffe niedergelegt, mit erhobenen Händen den Platz einer als Geisel festgehaltenen Angestellten eingenommen habe, „zählte deren Leben für Beltrame mehr als alles andere“, sagt Macron. Den Tod hinzunehmen, damit Unschuldige leben, das zeichne einen Gendarmen aus. Ob das der Mutter des fürs Vaterland Gefallenen ein Trost ist? Vorne in der ersten Reihe hat sie die Beileidswünsche des Präsidenten und seiner Gattin Brigitte entgegengenommen. Ob Oppositionsführer, ehemalige Staatschefs oder hohe Würdenträger der Zivilgesellschaft – alle haben sie sich eingefunden, um Beltrame die letzte Ehre zu erweisen. Mehr als 2000 Menschen drängen sich im Ehrenhof. Was nach vollendetem nationalem Schulterschluss aussieht, ist indes nur schöner Schein. Konservative Republikaner (LR), Rechtspopulisten des Front National (FN) versuchen aus der neu erwachten Angst vor dem Terror Kapital zu schlagen. Der LR-Vorsitzende Laurent Wauquiez warf der Regierung vor, angesichts wachsender islamistischer Gewalt „schuldhaft naiv und nachlässig“ zu Werke zu gehen. Er fordert, die bedrohlichsten der rund 12.000 registrierten islamistischen Gefährdern vorbeugend festzunehmen. Dass allein auf Verdachtsmomente gestützte Vorbeugehaft mit Frankreichs Verfassung nicht vereinbar ist, ficht den Oppositionsführer nicht an. FN-Chefin Marine Le Pen verlangt den Rücktritt des angeblich halbherzig gegen den Terror zu Felde ziehenden Innenministers Gérard Collomb. Auch Frankreichs Linkspopulisten suchen Profil. Stéphane Poussier, erfolgloser Kandidat des France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) bei den Parlamentswahlen 2017, hat die Ermordung des Gendarmen in einem Tweet mit Verweis auf einen durch eine Polizeigranate getöteten Demonstranten als „großartig“ gepriesen. Ein Gericht hat Poussier wegen Verherrlichung des Terrors zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Die überwältigende Mehrheit der Franzosen trauert hingegen um Beltrame, huldigt ihm als einem Helden, wie es ihn nur noch selten gibt.

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